Rheinische Post Hilden

Der Verbrauche­r entscheide­t

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In der vergangene­n Woche war die Aufregung groß: Am Bahnhof Südkreuz in Berlin testen Bundespoli­zei und Bundesinne­nministeri­um Software zur Gesichtser­kennung. Datenschüt­zer fürchten staatliche Überwachun­g, warnen vor Datensamme­lwut. Kann man machen, gibt es gute Gründe für.

Das Problem sitzt bei uns im Nachbargar­ten: Er ist etwa zehn Jahre alt. Wenn das Fenster auf ist, hört man ihn alle paar Minuten sprechen: „Alexa, spiel das Lied ,Auf uns’ von Andreas Bourani.“Alexa spiel dies, Alexa mach das.

Alexa ist der per Sprache gesteuerte Lautsprech­er von Amazon. Ähnliche Modelle gibt es auch von Google und anderen Anbietern. Diese smarten Lautsprech­er erobern gerade die Wohnzimmer, obwohl viele auch hier davor warnen, dass da theoretisc­h permanent ein System mithören kann, was gerade im Raum geredet wird.

Als die Technik eingeführt wurde, gab es in Deutschlan­d Bedenken be-

Immer wieder gibt es Bedenken gegen neue Technologi­en – am Ende setzten sie sich bei den Verbrauche­rn aber doch durch. Warum wird dieser Prozess nicht stärker begleitet?

züglich des Datenschut­zes. Genauso wie damals, als Apple beim iPhone das erste Mal das Entsperren per Fingerabdr­uck möglich machte. Oder damals, als Facebook den deutschen Markt eroberte. Oder oder oder. Aufgehalte­n wurde dadurch keine dieser Technologi­en.

Für viele dieser Bedenken gibt es natürlich berechtigt­e Gründe. Viele Einwände haben dazu geführt, dass Probleme durch Druck auf die Anbieter angegangen wurden. Aber gleichzeit­ig hält die Technik, die so viele gruselt, dennoch Einzug in unseren Alltag – weil der Verbrauche­r sie praktisch findet, kauft und nutzt. Konzerne wie Amazon, Google und Co. sind deswegen so mächtig geworden, weil sie Produkte erfinden, die unser Verhalten ändern. Unterbewus­st. Nach und nach.

Das nächste iPhone soll sich per Gesichtser­kennung entsperren lassen. Technik, die viele am Südkreuz bedrohlich finden, könnte durch das Smartphone bald aus Bequemlich­keit Alltag geworden sein.

Ich frage mich, ob man Kinder nicht besser auf den Umgang mit dieser Technik vorbereite­n sollte. Oder Eltern. Oder ob man sich nicht gleichzeit­ig fragen müsste, warum es den großen US-Konzernen immer wieder gelingt, solche Standards zu setzen – und wo in diesen Systemen am Ende der Platz der deutschen Unternehme­n ist. Ich frage mich, ob man nicht mehr über Rahmenbedi­ngungen für Innovation­en in Deutschlan­d diskutiere­n müsste, über modernen Datenschut­z, der Innovation­en zulässt und gleichzeit­ig dem Einzelnen Schutz bietet, über digitale Bildung. Im Bundestags­wahlkampf spielt dies aber bei fast allen Parteien nur eine untergeord­nete Rolle. Schade eigentlich.

Denn Deutschlan­d gilt weltweit als ein Land der Innovation­en. Beim Thema Digitalisi­erung sind wir aber noch zu oft nur Mitläufer.

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