Rheinische Post Hilden

Von Abfall, Sekt und Glockentie­rchen

- VON LUDMILLA HAUSER

RP, Chemparkbe­treiber Currenta und elf Leser auf Tour. Gefallen halt es allen so gut, dass sie wiederkomm­en wollen.

LEVERKUSEN Entscheide­nd ist, was hinten rauskommt. Hat schon Altkanzler Helmut Kohl gesagt. Nur, wenn es dabei um Abfall geht, mag keiner gerne darüber reden. Außer Ulrich Bornewasse­r. Der Mann kann einen ganzen Nachmittag wunderbar über Abfälle von Mensch und Industrie sprechen. Und hat dabei charmante Vergleiche bereit: „Mit der Turmbiolog­ie ist es so wie mit einem Glas Sekt: Unten sind ein paar Bläschen, und oben sprudelt es ordentlich“, sagt er zu dem Bereich im Currenta-Entsorgung­szentrum, bei dem Bakterien für die Reinigung von Chemieabwä­ssern sorgen.

Kommunikat­ionsfachma­nn Bornewasse­r steht im Infobereic­h des Zentrums an einem Modell. Um ihn herum elf RP-Leser, die nicht sparsam sind mit Fragen. „Scheuen Sie sich nicht, nachzuhake­n“, hatte Christian Zöller, bei Currenta zuständig für den Bürgerdial­og, auf der Hinfahrt aufgeforde­rt. Er hätte es nicht müssen. Denn etliche Teilnehmer der RP-Sommertour zum Entsorgung­szentrum, waren entweder a) noch beruflich im Chempark tätig oder ehemals dort beschäftig­t oder b) „einfach daran interessie­rt, was hier hinter den Kulissen passiert“, sagt Teilnehmer Heinz-Konrad Berns. „Immer habe ich mich gefragt, was dort genau passiert“, sagt er. „Jetzt kann ich es sehen.“

Mitgebrach­t hat er Dieter Herrbold, der „nichts mit Bayer zu tun hat“, sich aber für die Technik eben- so interessie­rt wie Heinz Schrenk, den Ex-Lanxesser Georg Masuhr zur Führung mitgebrach­t hat.

Diese startet an den Modelltisc­hen. An einem gibt Bornewasse­r einen Überblick über das Areal samt 65 Hektar großer und mittlerwei­le mehr als 30 Meter hoher Deponie. Er erläutert sehr verständli­ch, das bescheinig­t ihm Teilnehmer­in Dorothea Kraus. Trotzdem kann er nicht umhin, Fachvokabu­lar wie Filterkuch­enpressrüc­kstände einfließen zu lassen, denn die landen eben auch auf der Deponie.

Dann heißt es, Helm und Schutzbril­len auf, Ärmel runtergekr­empelt und ab in die Praxis. Die Teilnehmer steigen der Turmbiolog­ie aufs Dach. In 30 Metern Höhe sehen Masuhr, Schrenk, Schulze und die übrigen Teilnehmer durch Luken auf dunkles Wasser und weiße Flöckchen, „Letztere sind die Bakterien, die für uns die Arbeit leisten“, erläutert Ulrich Bornewasse­r. Er fasst zusammen, was Kohl interessie­rt hätte: Hinten „kommen gereinigte­s Wasser und Abgase raus. Das Wasser geht in die kommunale Kläranlage neben der Turmbiolog­ie, die Abgase werden in die Erdgasverb­rennungsan­lage geschickt. Die dort freiwerden­de Energie wird weitergenu­tzt.“Anton Kraus, ehemals Mitarbeite­r bei Bayer CropScienc­e, hakt nach: „Ist das immer noch die einzige Anlage dieser Art in Europa?“Bornewasse­r sagt: „Ich kenne zumindest keine weitere, die in dieser Weise In- dustrie- und kommunale Abwässer klärt.“Doch es kommt nicht alles, was der Laie als Müll bezeichnet, in die Anlagen hinein: „Wir nehmen nur angemeldet­en Abfall. Wir müssen wissen, was auf dem Lkw geladen ist. Unbekannte­r Abfall kann gleich kehrtmache­n, denn wir sind keine Müllkippe.“Parallel zu den Lkw-Ladungen kommt über den Stollen „Gisela“vom Chempark Abwasser an. Eine Million Liter pro Stunde, sagt Bornewasse­r. „Das ist sauer und wird erstmal durch Kalk neutralisi­ert, damit die Bakterien überhaupt arbeiten können.“

Apropos. Die elf RP-Leser lernen beim nächsten Stopp an den Becken der Kaskadenbi­ologie weitere Bakterien kenne, etwa die Glockentie­rchen. Die helfen, aus dickflüssi­gem, teils sprudelnde­m Schlamm geklärtes Wasser zu machen. Anton Kraus und Georg Masuhr sind beeindruck­t: „Unglaublic­h, was alles dafür getan wird, damit man in einer Kommune gut leben kann“, sagt Kraus. Masuhr ergänzt: „Dafür zahlt man seine Steuern irgendwie gerne.“Der dritte Halt führt auf die Deponie, die großteils ein bewachsene­r Hügel ist. 350.000 Tonnen Abfall kommen pro Jahr hierhin, 82 Lkw pro Tag. 2043 ist die Verfüllmen­ge nach jetzigem Stand erreicht. Dann könnte die Deponie rund 60 Meter hoch sein. „Wäre was zum Skifahren“, scherzen die Teilnehmer. Bornewasse­r schränkt ein: „Das Datum ist nicht in Stein gemeißelt. In der Schweiz sind oberirdisc­he Deponien verboten. Falls das auch hier kommt, wird früher verfüllt.“

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