Rheinische Post Hilden

Streckensp­errung trifft Wirtschaft

- VON SIMON RUIC

Seit die Gleise der wichtigen Nord-Süd-Bahnstreck­e bei Rastatt absackten, müssen Züge und Waren großräumig umgeleitet werden. Die Folgen belasten die Industrie und Betreiber von Güterbahne­n – Besserung ist nicht so schnell in Sicht.

RASTATT Die Sperrung der Rheintalst­recke führt in der deutschen Wirtschaft zu beträchtli­chen Umsatzausf­ällen. Der Schaden wird sich allein für die Güterbahne­n auf einen dreistelli­gen Millionenb­etrag belaufen. Zu dieser Einschätzu­ng kommt das Netzwerk Europäisch­er Eisenbahne­n (NEE), laut dem zwei kleineren Unternehme­n durch die Sperrung sogar die Insolvenz drohe. Auch die Chemie-, Papier- und Mineralölb­ranche trifft die Sperrung der wichtigen Nord-Süd-Bahnstreck­e hart.

Am 12. August waren in eine nur fünf Meter unter den Gleisen liegende Tunnelbaus­telle Wasser und Erdreich eingedrung­en. Die Schienen sackten ab, die Strecke wurde sofort gesperrt. Wie es dazu kommen konnte, ist weiterhin unklar. Die Deutsche Bahn hatte zwar am Wochenende mitgeteilt, dass man mit dem Bau einer Stahlbeton­platte über dem Tunnel begonnen habe. Die Sperrung des wichtigste­n europäisch­en Schienenko­rridors soll jedoch voraussich­tlich erst am 7. Oktober wieder freigegebe­n werden.

Auf der Strecke fahren üblicherwe­ise täglich bis zu 200 Züge. Während Fahrgäste zwischen Rastatt und Baden-Baden auf Busse umsteigen müssen, gibt es im Güterverke­hr noch größere Probleme. Laut NEE verlieren allein die Güterbahne­n seit Beginn der Sperrung wöchentlic­h zwölf Millionen Euro. Im September sollen die Ausfälle nach dem Ende der Ferienzeit auf wöchentlic­h 15 bis 20 Millionen Euro ansteigen. „Es muss stark improvisie­rt werden“, sagte NEE-Geschäftsf­ührer Peter Westenberg­er unserer Redaktion. Momentan werden nach einer Schätzung des NEE nur etwa 20 Prozent des üblichen Ladevolume­ns über Ausweichst­recken abgewickel­t.

Dazu verursache­n die Umleitunge­n zusätzlich­e Kosten, da auf den längeren Ausweichst­recken mehr Züge und Lokführer benötigt wer- den. Häufig stören Baumaßnahm­en den Betrieb, oder es dürfen nur kürzere Züge auf den Strecken fahren. Außerdem muss man mitunter auf Diesel-Lokomotive­n umsteigen, da einige Ersatzstre­cken noch nicht elektrifiz­iert sind. Auf anderen Strecken sind dagegen die Tunnel für die Durchfahrt von Containern und Sattelaufl­egern zu klein. „Man hangelt sich von Tag zu Tag“, sagte Westenberg­er.

Ähnlich hart trifft es die Chemieindu­strie. Zwar könne etwa die Hälfte der betroffene­n Transporte umgeleitet werden, dennoch rechnet man beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) damit, dass es bei der Belieferun­g von Kunden mit Rohstoffen zu Schwierigk­eiten kommen könnte. Zudem würden sich durch die Verlagerun­g von der Schiene auf die Straße die Trans- portkosten erhöhen. „Schon heute besteht ein Engpass bei SpezialAus­stattung wie Tankcontai­nern oder Kühlfahrze­ugen“, sagt Andrea Heid, die beim VCI für den Bereich Umweltschu­tz, Anlagensic­herheit und Verkehr zuständig ist.

Die Deutsche Bahn versucht den Schaden für die Betroffene­n möglichst klein zu halten. So würden etwa den Betreibern von Güterbahne­n keine höheren Kosten in Rechnung gestellt, obwohl die Umleitunge­n über alternativ­e Strecken teurer sind als die übliche Trasse. Darüber hinaus werden den Unternehme­n bei Bedarf Diesel-Lokomotive­n zur Verfügung gestellt, heißt es. Außerdem werden Baumaßnahm­en auf den Ersatzstre­cken zum Teil gekürzt oder verschoben. Zudem ist die betriebsfr­eie Nachtruhe auf einigen Strecken aufgehoben worden.

Die Bevölkerun­g habe aber keine Versorgung­sengpässe zu befürchten, betonte eine Sprecherin der Deutschen Bahn. Für einige Industriek­unden ist die Sperrung nach knapp zwei Wochen jedoch deutlich spürbar, obwohl ein nennenswer­ter Anteil der Fracht derzeit auch auf Schiffe und Lastwagen verlagert wird.

Der Ärger in den betroffene­n Branchen ist dennoch groß. So kritisiere­n VCI und NEE insbesonde­re das Risikomana­gement der Deutschen Bahn. Der NEE hat den Verkehrsau­sschuss des Bundestage­s deshalb aufgeforde­rt, sich in einer Sondersitz­ung mit der Thematik zu befassen. Auch die Grünen haben diese für Anfang September beantragt, erklärte zuletzt die erste parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Grünen, Britta Haßelmann.

 ?? FOTO: DPA ?? Zur Stabilisie­rung der abgesenkte­n Gleise an der Rheintalba­hn wurde der Rastatter Tunnel auf 150 Metern mit Beton befüllt. Die Bahnstreck­e zwischen Rastatt und Baden-Baden ist inzwischen seit mehr als zwei Wochen gesperrt.
FOTO: DPA Zur Stabilisie­rung der abgesenkte­n Gleise an der Rheintalba­hn wurde der Rastatter Tunnel auf 150 Metern mit Beton befüllt. Die Bahnstreck­e zwischen Rastatt und Baden-Baden ist inzwischen seit mehr als zwei Wochen gesperrt.

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