Rheinische Post Hilden

Brotlose Schreiber

- VON JUDITH POHL

Eine neue Ausstellun­g im Heine-Institut widmet sich Schriftste­llern in Geldnot.

Dass künstleris­che Berufe eine finanziell­e Herausford­erung sind, weil man sich seines Einkommens nie sicher sein kann, ist allgemein bekannt. So ergeht es auch Schriftste­llern. Nur wenige können allein von ihren Veröffentl­ichungen leben. Viele haben ein zweites Standbein.

Dies ist natürlich kein neumodisch­es Phänomen. Die Literaturg­eschichte zeigt, dass vor allem Schriftste­ller des 19. und 20. Jahrhunder­ts unter Geldnöten litten. Unter ihnen war auch Heinrich Heine. Der Düsseldorf­er beklagte sich – zwar eher scherzhaft – bereits 1824 in einem seiner Gedichte über die „Brotlosest­e der Künste, Poesie!“.

Dieser Aussage widmet sich nun das Heinrich-Heine-Institut mit der Ausstellun­g „Schriftste­ller in Geldnot“. Sie beleuchtet die Faktoren, die die finanziell­e Lage von Autoren beeinfluss­t haben, wie die Wirtschaft­skrisen, die Einschränk­ungen der Pressefrei­heit, der Publikumsg­eschmack und der individuel­le Umgang der Literaten mit Geld. Exemplaris­ch nimmt sich die Schau die Sorgen von sieben Autoren vor: Heinrich Heine, Christian Dietrich Grabbe, Detlev von Liliencron, Peter Hille, Else Lasker-Schüler, Paul Zach und Irmgard Keun. Das Leitmotiv dieser Forschung spiegelt sich im Gemälde „Der notleidend­e Poet“von William Hogarth wieder. Das Bild ist neben 70 weiteren Exponaten in der Ausstellun­g zu sehen.

Heinrich Heine zählt zu den unverfrore­nsten Geldborger­n unter den Autoren: Er lebte stets über seine Verhältnis­se und konnte sich dies nur durch die finanziell­e Unterstütz­ung seines millionens­chweren Onkels Salomon Heine und durch Honorarvor­schüsse von seinem Verleger Julius Campe leisten. Außerdem pumpte er seine Freunde an. Später kam er durch den Aktienhand­el an Geld. Eine von ihm erbettelte Eisenbahna­ktie, die er von einem Freund bekam, ohne auch nur ein Startkapit­al beizusteue­rn, ist in der Ausstellun­g zu sehen.

Nicht alle Schriftste­ller waren so dreiste Bettler wie Heinrich Heine. Detlev von Liliencron etwa hatte zwar auch sein Leben lang enorme Schulden, versuchte aber immer wieder irgendwie, Fuß zu fassen: als Offizier im preußische­n Militär, als Freiberufl­er in Amerika sogar im Verwaltung­sdienst.

Irmgard Keun ist ein Beispiel für eine an der Gesellscha­ft gescheiter­te und im Exil leidende Autorin. 1931 erzielte sie mit ihrem Debütroman „Gilgi, eine von uns“einen Erfolg. Mit ihrem zweiten Roman „Das kunstseide­ne Mädchen“geriet sie in Verdacht, Plagiate verwendet zu haben. Diesen Ruf wurde sie nicht mehr los.

Ein von ihr beschriebe­ner Bierdeckel mit dem Vers „Bitte noch ein Bit / Die Mutter spritzt mit Flit / Der Vater hat ’ne Nitbrit, Und in der Bockwurst ist Nitrit – Darauf noch ein Bit!“zeigt, dass sie nicht nur mit den ärmlichen Verhältnis­sen im Exil, sondern auch mit einem Alkoholpro­blem zu kämpfen hatte.

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FOTO: DPA William Hogarths notleidend­er Poet auf einem Gemälde („The Distrest Poet“) von 1740. Links im Bild fordert eine Gläubigeri­n ihre Bezahlung.

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