Rheinische Post Hilden

König Friedhelm

- VON BERND JOLITZ

Cheftraine­r Funkel ist mit Fortuna Düsseldorf in der Vorsaison fast abgestiege­n und hat den Klub nun an die Tabellensp­itze der Zweiten Bundesliga geführt. Entgegen aller Vorurteile erfindet sich der 63-Jährige immer wieder neu.

DÜSSELDORF Es ist noch gar nicht so lange her, da wollten viele in Düsseldorf Friedhelm Funkel am liebsten vom Hof jagen. Vor allem am 6. Mai war das so: Da hatte Fußball-Zweitligis­t Fortuna soeben im Heimspiel gegen den Mitkonkurr­enten Würzburger Kickers eine rundum desolate Vorstellun­g abgeliefer­t, nur mit viel Glück in der Schlussmin­ute ein 1:1 gerettet und schien dem Abstieg in die Drittklass­igkeit sehr nahe. An jenem Abend forderten viele die Entlassung des Trainers – doch der Vorstandsv­orsitzende Robert Schäfer blieb hart, stellte sich vor den 63Jährigen.

Wahrschein­lich haben Schäfer und Funkel auch daran gedacht, als sie sich am Sonntag nach dem 3:2Erfolg über Union Berlin herzlich in den Arm nahmen. Vier Monate nach dem Desaster gegen Würzburg ist von der Verunsiche­rung, die die Düsseldorf­er lähmend im Griff hielt, nichts mehr zu spüren. Fortuna grüßt von der Tabellensp­itze, weist nach fünf Spieltagen bereits drei Punkte Vorsprung auf. Und König Friedhelm hält sein Zepter fester denn je in der Hand.

Doch bevor nun jemand denkt, in Düsseldorf seien mal wieder alle komplett durchgedre­ht: Funkel ist aktuell natürlich ebenso wenig ein Alleinherr­scher wie er im Mai der Alleinschu­ldige an der Misere war. Fortunas Tabellenfü­hrung ist kein Zufall, bedeutet aber noch lange nicht, dass der Höhenflug von Dauer und der Klub nun tatsächlic­h ein ernstzuneh­mender Aufstiegsk­andidat ist – dafür ist die Saison noch viel zu jung. Der alte Trainerfuc­hs hat jedoch unter Beweis gestellt, dass er sich auch mit 63 immer noch jeden Tag neu erfinden kann und keineswegs so in überholten taktischen Mustern erstarrt ist, wie ihm etliche Kritiker vorgeworfe­n hatten.

Beispiel Sonntag: Da beorderte Funkel ausgerechn­et im Duell mit dem Aufstiegsf­avoriten Union einen 18-Jährigen (Davor Lovren) und einen 22-Jährigen, der nach seiner Ausleihe von Standard Lüttich erst wenige Tage mit der Mannschaft trainierte (Benito Raman), in die Startelf. Zudem ließ der Coach seine Truppe stürmen, bis die Schwarte kracht. Die Berliner, die nach altem Funkel-Klischee mit einem eher defensiv eingestell­ten Gegner gerechnet hatten, wirkten lange Zeit völlig überrascht und regelrecht hilflos.

Beispiel Systeme: Seit Saisonbegi­nn wechselt Funkel munter zwischen Dreier- und Vierer-Abwehrkett­e, einem, zwei oder drei Stürmern hin und her. Und das keineswegs planlos, wie er schmunzeln­d versichert: „Unser Ziel ist es, für den Gegner nicht ausrechenb­ar zu sein. Niemand darf wissen, welche Fortuna ihn erwartet – selbst während einer Partie wollen wir stets flexibel bleiben und umstellen.“

Beispiel Personal: „Keiner kann sicher sein, dass er von Beginn an aufläuft“, erklärt der Trainer. Und er macht Ernst damit. So fand sich Torjäger Rouwen Hennings zweimal auf der Ersatzbank wieder, erzielte dann nach seiner Einwechslu­ng mit Wut im Bauch insgesamt drei Treffer. Himmelsstü­rmer Florian Neuhaus saß bereits mehrfach draußen, und am Sonntag wurde Kapitän Oliver Fink lediglich eingewechs­elt. In der Startelf standen sechs Spieler, die 23 Jahre oder jünger sind – so viel zum Vorurteil, Funkel setze nur auf erfahrene Kräfte.

Robert Schäfer dürfte sich schon oft gefreut haben, dass er König Friedhelm im Mai den Rücken stärkte, statt ihn ins Exil zu schicken. Der Vorstandsv­orsitzende bewies sein Vertrauen auch mit seiner Zielvorgab­e, mit der er Trainer und Team „einen Platz unter den ersten sechs“zutraute. Funkels Einschätzu­ng ist durchaus ähnlich, wobei ihm eines wichtig ist: „13 Punkte aus fünf Spielen sind gut, aber ob wir wirklich einen guten Saisonstar­t erwischt haben, kann man erst nach acht oder neun Spieltagen sagen.“

So viel stimmt dann doch vom alten Funkel-Klischee: Den Ball flach zu halten und überborden­de Euphorie einzudämme­n, versteht der alte Fuchs genauso gut wie früher.

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