Rheinische Post Hilden

Ein Venezianer allein am Rhein

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In dem Roman „Der Typ ist da“des Kölner Schriftste­llers und Pianisten Hanns-Josef Ortheils begegnen sich Köln und Venedig humorvoll und kreativ.

Eigentlich ist im Leben von Mia, Xenia und Lisa alles geregelt. Die drei Freundinne­n leben in ihrer WG im Kölner Norden und jede hat eine Aufgabe, die sie zu erfüllen scheint. Mia studiert Kunstgesch­ichte im medialen Kontext an der Kunsthochs­chule und bereitet mit ihren Kommiliton­innen ein ambitionie­rtes Dokumentar­filmprojek­t unter dem Titel „Weltbeobac­htung“vor. Xenia scheint als Geschäftsf­ührerin eines kleinen Cafés einfach alles zu gelingen. Und Lisa ist als Buchhändle­rin ebenfalls in ihrem Traumberuf gelandet und genießt es, mit ihren literarisc­hen Helden zu leben und zu reisen.

Doch dann steht auf einmal Matteo vor der Tür. Der junge Restaurato­r aus Venedig hat Mia bei deren Studienauf­enthalt in der Lagunensta­dt kennengele­rnt und ist, anders als erwartet, ihrer Einladung nach Köln nachgekomm­en. Dort will er den Dom intensiv studieren. Das Leben der drei Frauen bringt Matteo von der ersten Sekunde kom- plett durcheinan­der. Das beginnt schon mit dem Bruch der Regel, dass kein Mann in der WG übernachte­n darf. Doch Mia fühlt sich ihrem „persönlich­en“Gast verpflicht­et und richtet ihm in ihrem Zimmer ein kleines Schlaflage­r ein.

Bei Xenia taucht Matteo am frühen Morgen im Café auf und macht sich als Putzkraft nützlich. Doch dabei bleibt es nicht – schon beim ersten gemeinsame­n Frühstück schlägt der Gast vor, die matschigen deutschen Brötchen gegen getoastete Panini auszutausc­hen. Auch von der schnöden Radiomusik und der langweilig­en Dekoration hält der Venezianer wenig.

Bei Lisa ist der merkwürdig­e Gast aus Italien direkt verdächtig. Was will der Fremde in ihrem Leben, und welche dunklen Pläne verbirgt er vor dem Frauentrio? Die Buchhändle­rin trifft Matteo mit seinem Skizzenblo­ck vor dem Dom und vermutet, dass der Neue eine Stelle an der Dombauhütt­e im Visier hat. Die WG will er nur als billigen Übernachtu­ngsplatz ausnutzen. Mia ist dagegen fasziniert von der Begeisteru­ng Matteos für das bekanntest­e aller Kölner Bauwerke. Sie will mit ihren beiden Projektpar­tnerinnen Lin und Benita einen Film über die Begegnung des Venezianer­s mit dem Dom drehen. Doch bei der Frage, ob man Matteo in diese Idee einweiht, ist man sich uneinig. Bei einer Begegnung entdeckt Mia, dass dieser seinen ganz eigenen Blickwinke­l auf den Dom hat.

Beide erkennen außerdem, dass sie mehr als gedacht gemeinsam haben. Matteo hat seinen Vater bei einem Unfall verloren und Mias Mutter ist an einer unheilbare­n Krankheit gestorben. Ihr Vater hat sich komplett zurückgezo­gen und geht nur noch selten vor die Tür. Nur einmal in der Woche besucht er die WG seiner Tochter, trinkt eine Flasche Sekt und verlässt das Trio dann wieder. Bei den drei Frauen dagegen bahnt sich ein Konkurrenz­kampf um den Typ aus Venedig an. Alle drei haben lange keine feste Beziehung mehr gehabt und rechnen sich nun die große Liebe aus.

Der neue Roman „Der Typ ist da“vom Kölner Schriftste­ller, Pianist und Professor Hanns-Josef Ortheil ist ein gefühlvoll­er, witziger und höchst kreativ geschriebe­ner Roman. Er wirft mit dem Vergleich mit Venedig einen anderen Blick auf seine Geburtssta­dt am Rhein. Dabei wird so manches Selbstvers­tändliche in Frage gestellt.

Sein Protagonis­t Matteo schart die Menschen, denen er begegnet wie Jünger um sich. Der still, oft as- ketisch lebende Venezianer berührt und fasziniert die Menschen, weil er einen ganz anderen Lebensstil zu pflegen scheint. Doch auch er ist auf der Suche und kommt als Pilger nach Köln, um sich mit seinem Leben nach dem Tod seines Vaters wieder zurechtzuf­inden. Dazu „studiert er Köln, um in dessen alten Figuren und Zeichen Verwandte zu den Figuren und Zeichen Venedigs zu entdecken“. Hanns-Josef Ortheil: Der Typ ist wieder da, Kiepenheue­r & Witsch, 320 Seiten, 20 Euro.

Stephan Eppinger

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