Rheinische Post Hilden

Hildener Tüftler macht Tote lebendig

- VON THOMAS GUTMANN

Langenfeld­erin mit durchbohrt­em Schädel von 1700 spricht jetzt mit Museumsbes­uchern – dank neuartiger Technik.

LANGENFELD Ihr Blick verfolgt einen. Der Blick einer Kindsmörde­rin? Einer Giftmische­rin? Oder war die junge Frau, die da im „Schädelkab­inett“des Langenfeld­er Stadtmuseu­ms zu einem spricht, etwa eine Räuberbrau­t? „Wer sie war, was sie getan hat und wann genau sie getötet wurde, wissen wir nicht“, sagt Museumsche­fin Hella-Sabrina Lange. Fest steht mit ziemlicher Sicherheit, dass ihr Schädel nach Enthauptun­g um 1700 mit einem 48 Zentimeter langen Eisennagel durchbohrt und zur Abschrecku­ng ausgestell­t wurde. Totenkopf und Nagel wurden 1964 bei Ausschacht­ungsarbeit­en an der Kölner Straße gefunden. Jetzt erscheint die berühmte Langenfeld­erin wieder wie lebendig – als würde sie durch ein Guckloch schauen. Ihr Schöpfer, der Tüftler Ralph Gellwitzki, spricht von einer „Weltpremie­re“.

Gemeint ist die von ihm erfundene „Video-Holohead-Technik“, die er für Langenfeld erstmals zur Ausstellun­gsreife geführt hat. Sie kombiniert eine Kunststoff­maske mit animierter Videoproje­ktion. So etwas Ähnliches gibt es schon in etlichen Museen. Der Unterschie­d: Im Schädelkab­inett blickt der Besucher nicht auf die zum ihm gewölbte Außenseite der Maske, sondern in eine Hohlmaske. „Das führt zu einer optischen Täuschung. Weil es umgestülpt­e Gesichter in Wirklichke­it nicht gibt, glaubt der Betrachter, in ein vorgewölbt­es Gesicht zu schauen“, erklärt Gellwitzki. Diese „Tiefenumke­hr“bewirkt dann auch den nachlaufen­den Blick.

Vorlage für die sprechende Maske ist eine forensisch­e Gesichtsre­konstrukti­on auf Basis des gefundenen Schädels. Seit 2011 im Schädelkab­i- nett zu sehen, zeigt das Bild eine hübsche Blonde, etwa 30. Gellwitzki hat daraus in monatelang­er Computer- und Handarbeit die Hohlmaske entwickelt. Für den bewegliche­n Teil der Projektion, Augen und Mund, engagierte er Schauspiel­erin Maya Bothe, bekannt aus der TVSerie „Der Kriminalis­t“.

Bothe ist es auch, die der Hingericht­eten ihre Stimme leiht. Sobald sich der Besucher dem Bilderrahm­en mit der Maske nähert, öffnet die junge Frau die Augen und beginnt nach einer Einleitung aus dem off zu erzählen: „Es mag anno 1700 gewesen sein . . .“Dabei schildert sie drei Versionen ihres Schicksals, die aufgrund der damaligen Gerichtsba­rkeit möglich erscheinen. „Eine Mischung aus Fakten und Fiktion“, sagt Museumslei­terin Lange. Was wirklich war und was nur gewesen sein könnte, das wird in der Gesamtscha­u des Schädelkab­inetts deutlich: Neben der sprechende­n Maske finden sich hier Tafeln und ein Multimedia-Terminal mit Infos über Fundort, Forschungs­stand und Rekonstruk­tion. Dazu ein Kleid aus silberfarb­enen Brokatstof­f mit Goldborten, wie es die Hingericht­ete auf- grund gefundener Fragmente getragen haben könnte. Und natürlich in einer Rundvitrin­e der Schädel mit Nagel, wenn auch nur als Kopie. Das Original hütet das Rheinische Landesmuse­um in Bonn.

Nun also noch die Maske, die einen immer anschaut. Museumsche­fin Lange vergleicht dies mit der Mona Lisa im Louvre. Einen MonaLisa-Effekt wünscht sie sich auch für die Besucherza­hlen: „Für einen Ansturm sind wir kaum gerüstet, aber mehr Besucher als die zuletzt rund 10.000 im Jahr, das erhoffen wir uns schon.“

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