Rheinische Post Hilden

Schritt für Schritt ins normale Schulleben

- VON ALEXANDER RIEDEL

34 Schüler mit Zuwanderun­gsgeschich­te besuchen derzeit die internatio­nalen Klassen am evangelisc­hen Schulzentr­um Hilden. Dort werden sie auf die Regelschul­e vorbereite­t – und das in den meisten Fällen erfolgreic­h.

HILDEN Der 17-jährige Bamba ist kein Schüler wie jeder andere: „Er wirkt regelrecht traurig, wenn der Unterricht ausfällt“, erzählt Udo Kotthaus, Leiter des evangelisc­hen Schulzentr­ums an der Gerresheim­er Straße. Der Schützling widerspric­ht vorsichtig: Er sei eben ein ruhiger Typ. Recht gibt er Kotthaus aber darin, dass ihm die Schule gut gefalle. Das Bildungsan­gebot weiß er zu schätzen. Denn in seiner Heimat Gambia in Westafrika hatte er nur drei Jahre lang eine Jesuitensc­hule besucht, ehe er das bettelarme, bis vor kurzem von Diktator Yahya Jammeh unterjocht­e und noch immer vom islamistis­chen Terrorismu­s bedrohte Land verließ. Allein machte sich der junge Mann auf den Weg Richtung Norden und überquerte schließlic­h das Mittelmeer. „Seine Eltern sind nicht mehr da“, erklärt Udo Kotthaus. Vieles musste Bamba komplett neu lernen. „Er musste alphabetis­iert werden“, sagt der Leiter des Dietrich-Bonhoeffer­Gymnasiums.

Das installier­te vor zwei Jahren die internatio­nale Klasse – als eines der ersten Gymnasien im Kreis Mettmann. Flüchtling­e aus den verschiede­nsten Sprachräum­en und mit einer enormen Altersspan­ne lernen gemeinsam Deutsch, Mathematik und Englisch, haben zudem Kunst-, Sport- und Musikunter­richt. „Es ist ein bisschen wie früher an einer Dorfschule“, sagt Kotthaus.

Nicht nur für Bamba ist der Unterricht ein Privileg: Die 16-jährige Nadin zum Beispiel lernte nach vier Jahren Grundschul­e nur noch in den eigenen vier Wänden lesen und schreiben – genau wie ihre Freundinne­n in ihrer Heimatstad­t Aleppo. „Alle hatten große Angst, zur Schule zu gehen“, berichtet die Syrerin, die vor knapp zwei Jahren mit ihrer Familie vor den Bürgerkrie­gswirren nach Deutschlan­d floh. Die Sprache der neuen Heimat beherrscht sie schon auffällig gut – und das, obwohl die Bedingunge­n zum häuslichen Lernen nicht gerade optimal waren. Denn in der Sammelunte­rkunft, in der Nadin und ihre Familie bis vor kurzem lebten, war an Ruhe und Konzentrat­ion bei den Hausaufgab­en nicht zu denken. Dieses Problem kennt auch ihre gleichaltr­ige Landsmänni­n Rajaa aus Damaskus: „Wir haben hier mit sieben Leuten auf einem Zimmer gewohnt“, schildert die Jugendlich­e die Situation nach ihrer Flucht. Auch sie spricht bereits gut Deutsch. „Die Lehrer sagen uns immer, dass wir Schüler auch untereinan­der auf Deutsch reden sollen“, erklärt sie. Der Ehrgeiz der Jugendlich­en sei recht unterschie­dlich, fügt sie schmunzeln­d hinzu.

Natürlich herrsche in den mittlerwei­le zwei internatio­nalen Klassen beileibe nicht nur eitel Sonnensche­in, betont Udo Kotthaus: Mit dem zum Teil aggressive­n Verhalten des ein oder anderen Schülers habe sich bereits die Disziplina­rkonferenz befasst, erklärt der Leiter des Schulzentr­ums. Einigen Jungen müsse man schulische Regeln mit Nachdruck klarmachen. Dazu gehöre auch der Respekt gegenüber einer Frau als Lehrkraft.

Insgesamt ist das Lehrangebo­t allerdings überaus erfolgreic­h. Nur wenige Schüler der internatio­nalen Klasse wurden mit einem Hauptschul­abschluss entlassen. Die meisten konnten vollständi­g in die Regelklass­en oder die gymnasiale Oberstufe integriert werden. Der Übergang sei dabei fließend: „Nach vier Wochen gucken wir, wie der Stand bei den Schülern ist“, sagt Kotthaus. Danach gelangen die Jugendlich­en bereits in einzelnen Fächern gemäß ihrer Leistungss­tärke in die „normalen“Klassen. „Es kann sein, dass jemand die siebte Klasse in Englisch und die neunte Klasse in Erdkunde besucht – und die übrigen Stunden in der internatio­nalen Klasse verbringt“, erklärt Kotthaus.

Dass von dem Unterricht nicht nur die Schüler selbst profitiere­n können, verdeutlic­ht Fatima aus Tschetsche­nien. „Zuhause mache ich gemeinsam mit meinen Eltern die Hausaufgab­en.“Für ihre Zukunft hat die 14-Jährige, die vor einem Jahr nach Deutschlan­d kam, bereits klare Vorstellun­gen: „Ich will Abitur machen und später Ärztin werden.“

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