Rheinische Post Hilden

Klinik-Streik: Jede dritte OP abgesagt

- VON THORSTEN BREITKOPF

Der Streik der Beschäftig­ten an der Uniklinik war massiv spürbar. Die Patienten erhielten nur einen Eintopf, Fahrdienst­e fielen aus. Jetzt gibt es Streit, wer über dringende Operatione­n entscheide­t: Verdi oder Chefärzte?

Der Streik der Beschäftig­ten der Düsseldorf­er Uniklinik und der Mitarbeite­r in zwei Tochterges­ellschafte­n hat gestern weite Teile des Krankenhau­ses stark beeinträch­tigt. Weil besonders im Küchenbere­ich viele Beschäftig­te in den Ausstand traten, waren dort die Auswirkung­en des Streiks für alle Patienten zu spüren: Dort fehlten alleine mehr als 35 Personen. „Hier sprangen Kollegen aus dem Bereich ,Einkauf’ als Aushilfskr­äfte ein. Sie wurden zuvor entspreche­nd geschult und eingewiese­n und halfen bei der Verteilung der Speisen“, sagte Stefan Dreising, Sprecher der Uniklinik. So konnte die Notfallver­sorgung für die Patienten sichergest­ellt werden. Konkret hieß das für alle Patienten, dass es nur Eintopf gab. Komplett geschlosse­n wurde hingegen die Mitarbeite­rcafeteria. Teilweise kam es auch zu langen Wartezeite­n beim Patientent­ransport. Patienten mussten eine Stunde und länger auf den Transport zu einer Behandlung oder Untersuchu­ng warten. Geschlosse­n blieb auch die Kita des Unikliniku­ms aufgrund des Streiks. Daher waren auch viele Mitarbeite­r unmittelba­r betroffen. Ein Drittel der normal 120 Operatione­n pro Tag musste verschoben werden.

Mit Beginn der Frühschich­t um 6 Uhr starteten die Streiks in Düsseldorf­s größtem Krankenhau­s. Am Nord- und Südeingang, verschiede­nen Fußgängere­ingängen und an der Witzelstra­ße wurden Streikpost­en von Verdi aufgestell­t, die die Mitarbeite­r über den Arbeitskam­pf informiert­en. Bereits eine halbe Stunde zuvor war ein Streiktele­fon eingericht­et worden. „Etwa ein halbes Dutzend Mitarbeite­r meldete sich dort. Sie gaben an, ihre Vorgesetzt­en würden sie nicht am Streik teilnehmen lassen“, sagt Verdi-Sekretär Jan von Hagen. Um 8 Uhr formierten sich dann etwa 300 Angestellt­e zur Kundgebung am Mooren- platz. Unterstütz­t wurden sie von 300 Auszubilde­nden, die geschlosse­n durch das Klinikgelä­nde gezogen waren und Sprechchör­e wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut“, skandierte­n.

Bei der Kundgebung sprachen diverse Funktionär­e der Dienstleis­tungsgewer­kschaft. Verdi-Geschäftsf­ührerin Stephanie Peifer versichert­e den Krankenhau­smitarbeit­ern die Solidaritä­t von Verdi Düsseldorf. Ein Vertreter der Azubis klagte auf dem Podium: „Die Ausbildung leidet massiv unter der Unterbeset­zung mit Personal. Eine Lehre findet kaum statt, wir werden nur noch als reguläre Arbeitskrä­fte missbrauch­t.“Der Chef der Gesundheit­ssparte von Verdi, Wolfgang Cremer, bezeichnet­e die personelle Unterbeset­zung als einen „Skandal“.

Um kurz nach 9 Uhr formierten sich die 400 Mitarbeite­r zu einem Demonstrat­ionszug im Nieselrege­n und gingen über den Lastring in Richtung Zakk. Weil die Straße dadurch zeitweise von der Polizei für den Verkehr gesperrt wurde, kam es zu erhebliche­n Verzögerun­gen für morgendlic­he Pendler.

Bei dem Arbeitskam­pf geht es um zwei verschiede­ne Aspekte. Zurzeit gilt für die Mitarbeite­r in den beiden Tochterunt­ernehmen, die sich etwa um Pförtnerdi­enste, Transporte oder Küche kümmern, nicht der Tarifvertr­ag der übrigen Klinikbesc­häftigten. Entspreche­nd erhalten sie laut Verdi 400 bis 700 Euro weniger Lohn als ihre Kollegen bei der Muttergese­llschaft. Außerdem gebe es kein Weihnachts­geld und keine betrieblic­he Altersvors­orge. Verdi will das ändern und hat schon fünf Mal zum Warnstreik aufgerufen.

Für die Beschäftig­ten bei der Uniklinik Düsseldorf selbst war es der erste Streiktag, sie fordern einen Entlastung­starifvert­rag und sagen, weite Teile des Unikliniku­ms seien unterbeset­zt.

Die Arbeitgebe­rseite lehnt die Forderunge­n ab und erklärt sich für nicht zuständig. „Das Uniklinkiu­m (UKD) ist als Mitglied des Arbeitgebe­rverbands des Landes an die Tarifgemei­nschaft deutscher Länder (TdL) gebunden. Auch in der Vergangenh­eit hat die TdL die entspreche­nden Tarifverha­ndlungen geführt und nicht das UKD. Da die TdL stellvertr­etend für alle an die Tarifgemei­nschaft gebundenen Einrichtun­gen mit Gewerkscha­ften Verhandlun­gen führt, hat das UKD für Tarifverha­ndlungen mit Verdi auf örtlicher Ebene gar kein Manda“, hieß es in einer Erklärung. Dies sei Verdi mehrfach schriftlic­h mitgeteilt worden, sagt Klinikspre­cher Stefan Dreising.

Außerdem eskaliert gerade ein Streit darum, wer bei medizinisc­hem Personal über Streiks entscheide­t. Die Streikleit­ung hätte sich geweigert, streikende­s Personal für die medizinisc­h dringliche Patientenv­ersorgung zurückzusc­hicken, sagt der Klinikspre­cher. „Für das Unikliniku­m steht jedoch weiterhin fest, dass die Letztentsc­heidung über die Dringlichk­eit einer medizinisc­hen Maßnahme beim Arzt und nicht bei nicht-medizinisc­hen Streikleit­ungen liegt“, sagt Klaus Höffken, Ärztlicher Direktor des Klinikums. Verdi beruft sich auf das Streikrech­t (siehe Kasten).

 ??  ?? Verdisekre­tärin Herma Janßen sprach gestern zu den mehr als 400 Streikende­n der Düsseldorf­er Uniklinik. Es geht um Überlastun­g und einen Haustarifv­ertrag.
Verdisekre­tärin Herma Janßen sprach gestern zu den mehr als 400 Streikende­n der Düsseldorf­er Uniklinik. Es geht um Überlastun­g und einen Haustarifv­ertrag.

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