Rheinische Post Hilden

Suche nach der Zukunft der Demokratie

- VON GREGOR MAYNTZ

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier eröffnet in ungewöhnli­cher Rolle eine neue Dialog-Reihe.

BERLIN Ein D steht hinter Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier im Festsaal von Schloss Bellevue. D wie Deutschlan­d, D wie Demokratie. Wer genauer hinschaut, sieht das D flimmern, es wirkt unscharf. Passend dazu stellt der Präsident fest: „Unsere Demokratie ist stabil, aber...“Es ist das Aber, das ihm Sorgen bereitet. Deswegen hat er ein neues „Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie“mit herausrage­nden Experten ins Leben gerufen.

Der erste Impuls gilt dem aktuellen Phänomen organisier­ter Pfeifkonze­rte vor allem bei Auftritten von Bundeskanz­lerin Angela Merkel. „Wer auf Kundgebung­en geht, um andere am Reden zu hindern, der wendet sich gegen die offene Debatte, die er selbst einfordert“, mahnt der Präsident. Dem Appell zur Tagespolit­ik lässt er eine Ausei- nandersetz­ung von gewaltigem Gewicht folgen, will wissen, ob der „Westen eine Zukunft“hat und lässt große Zweifel zu.

Der Experte für die Geschichte des Westens, der Historiker Heinrich August Winkler, setzt sogleich zum intellektu­ellen Höhenflug an und kommt zu einem leicht hoffnungsf­rohen Befund. Sein jüngstes Werk dreht sich um die Frage, ob der Westen zerbricht, und er lässt es bewusst nicht bei der Wahl von Donald Trump enden, sondern führt es bis zur Präsidents­chaft Emmanuel Macrons weiter.

Steinmeier setzt auf dem Podium selbst ungewöhnli­che Akzente. Er gibt nicht, wie sonst üblich, mit einer präsidiale­n Rede den Startschus­s und schaut dann nach alter protokolla­rischer Übung von neutraler Warte zu, wie ein Moderator die Kontrahent­en steuert. Er übernimmt als interessie­rter und enga- gierter Hausherr selbst die Federführu­ng und beantworte­t Fragen aus dem Publikum. Und er holt provokante Theorien ins Schloss.

So hält Parag Khanna, der indisch-amerikanis­che Politikwis­senschaftl­er, die repräsenta­tive Demokratie für überholt und versucht, für sein Modell der direkten Technokrat­ie zu werben, wo mehr Verwalter als Vertreter Beschlüsse aus Volksabsti­mmungen effiziente­r umsetzen und mehr soziale Gerechtigk­eit entstehen soll.

Damit entfernt sich der AuftaktDia­log leider von der Frage nach dem Westen und verheddert sich in leidenscha­ftlicher Kritik alternativ­er Politikans­ätze. Zugleich wird jedoch klar, wie viel Potenzial in der Frage steckt, die für Deutschlan­ds Zukunft von herausrage­nder Bedeutung ist. Steinmeier will nun zwei Jahre lang viele Aspekte beleuchten.

 ?? FOTO:DPA ?? „Unsere Demokratie ist stabil, aber...“: Bundespräs­ident Steinmeier.
FOTO:DPA „Unsere Demokratie ist stabil, aber...“: Bundespräs­ident Steinmeier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany