Rheinische Post Hilden

„Elton John ist mein Vorbild“

- DAGMAR LEISCHOW FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Die Jazz-Sängerin und Pianistin tritt morgen in Duisburg auf. Sie spricht über ihr neues Album und überrasche­nde Vorlieben für Popstars.

DUISBURG Mit rund 15 Millionen verkauften Tonträgern ist Diana Krall die erfolgreic­hste Jazzinterp­retin der Gegenwart. Auch auf ihrem aktuellen Album „Turn Up The Quiet“überzeugt die 52-Jährige mit ihrer lasziven Altstimme und ihrem versierten Klavierspi­el. Begleitet von exzellente­n Jazzmusike­rn drückt die Kanadierin Stücken aus dem Great American Songbook ihren ganz eigenen Stempel auf. Wir sprachen mit ihr am Telefon. Frau Krall, Sie haben Ihre CD „Turn Up The Quiet“mit dem kürzlich verstorben­en Tommy LiPuma produziert. Er war eine Legende, als Produzent arbeitete er mit den Großen zusammen, mit Miles Davis, Paul McCartney und Barbra Streisand etwa. Hatten Sie eine Vorahnung, dass sie Ihr letztes gemeinsame­s Projekt werden könnte? KRALL Nein. Als wir im Studio waren, hatte ich das Gefühl: Wir erschaffen hier etwas Großartige­s. Es ging Tommy hervorrage­nd. Darum war sein Tod im März ein Schock für mich. Tommy stand mir nicht bloß auf berufliche­r Ebene nahe, er war für mich wie ein zweiter Vater. Sie haben mit Tommy LiPuma elf Alben aufgenomme­n. Wie sehr hat er Sie als Musikerin geprägt? KRALL Sehr stark. Für meine künstleris­che Entwicklun­g zeichnete er ebenso verantwort­lich wie für die Formung meiner Persönlich­keit. Schließlic­h habe ich nur zwei Platten mit anderen Produzente­n eingespiel­t. Seien wir ehrlich: Ohne Tommy hätte ich keine so große Karriere gemacht. Was war so besonders an der Zusammenar­beit mit ihm? KRALL Er hat es verstanden, bei jeder Plattenpro­duktion eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Wenn wir uns gegen Mittag mit den anderen Musikern in den Capitol Studios in Los Angeles getroffen haben, redeten wir erstmal miteinande­r. Das war ein toller Einstieg in die Arbeit. Ich habe ja für „Turn Up The Quiet“drei unterschie­dliche Ensembles zusammenge­stellt. Tommy ist mit fast allen Musikern schon im Studio gewesen – außer mit Tony Garnier und Marc Ribot. Vor allem der Zusammenar­beit mit Marc hat er entgegenge­fiebert. Er war stets für etwas Neues offen. Hat er Ihnen geraten, nun zum reinen Jazz zurückzuke­hren? KRALL Das war meine Entscheidu­ng. Ich habe mir ganz bewusst das Repertoire des Great American Songbook vorgenomme­n. Wie all die großen Jazzer, die ich bewundere – von Billie Holiday bis zu Ray Brown. Ray war einer meiner Mentoren. Vor einiger Zeit bin ich auf den Mitschnitt einer Unterricht­sstunde, die ich bei ihm hatte, gestoßen. Ich hörte mir an, wie Ray mich an den Ella-Fitzgerald-Song „How High The Moon“herangefüh­rt hat, den ich damals noch nicht kannte. Danach forderte er mich auf, ein Stück zu spielen, mit dem ich mich wohlfühlte. Ich habe mich für „It Could Happen To You“entschiede­n. Alsbald setzte Ray ein. Sein Spiel war so kraftvoll, dass man hätte meinen können, er hätte sich mit Oscar Peterson zusammenge­tan statt mit mir. War das ein prägender Moment für Sie? KRALL Ja. Ich wurde mir Rays einzigarti­ger Virtuositä­t bewusst. Sein Erbe wird nun von Christian McBride und John Clayton weitergetr­agen. Das soll meine neue Platte reflektier­en. Darum spiele ich „No Moon At All“mit John Clayton im Duett. Manchmal braucht es eben nicht mehr als Klavier, Bass und Gesang. Hatten Sie so eine Erkenntnis mit 30 noch nicht, weil Ihnen damals die nötige Erfahrung fehlte? KRALL Womöglich wäre ich nicht mal vor drei, vier Jahren reif für eine CD wie „Turn Up The Quiet“gewesen. Ich glaube, mein 50. Geburtstag war für mich in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt. Ich bin selbstbewu­sster geworden und weiß nun genau, was ich will. Sind Sie eine Spätentwic­klerin? KRALL Es hat eine Weile gedauert, bis der Erfolg kam. Erst mit Mitte 30. Vorher musste ich mich durch eine Durststrec­ke kämpfen. Oft wusste ich nicht, woher ich am Monatsende das Geld für die Miete nehmen sollte. Hatten Sie denn überhaupt keine Engagement­s? KRALL Ich bin in Pianobars aufgetrete­n. Das war eine harte Schule. Kaum ein Gast hat mir jemals richtig zugehört. Inzwischen hat sich Ihr Leben grundlegen­d verändert. Sie haben Karriere gemacht und sind mit dem Musiker Elvis Costello verheirate­t. Wann veröffentl­ichen Sie endlich eine gemeinsame Platte? KRALL Diese Frage wird uns in schöner Regelmäßig­keit gestellt. Natürlich hätten wir zusammen ein großes künstleris­ches Potenzial. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Elvis’ Fans so ein Gemeinscha­ftsprojekt wirklich zu schätzen wüssten. Sie sind nämlich sehr eigen. Bei Ihren Anhängern scheinen Sie dagegen mit allem punkten zu können. KRALL Von wegen. Die Plattenind­ustrie hat sich zu einem harten Ge- schäft entwickelt, in dem nichts selbstvers­tändlich ist. Es wird immer schwierige­r, mit CDs Geld zu verdienen. Nicht zuletzt, weil es gerade Jugendlich­e für ganz selbstvers­tändlich halten, illegal Songs aus dem Internet herunterzu­laden. Da wächst gerade eine Generation heran, die alles umsonst haben will. Sie haben als Teenager vermutlich noch Ihr Taschengel­d für Platten gespart. Haben Sie damals ausschließ­lich Jazz gehört? KRALL Nein. Ich mochte auch Popmusiker wie Linda Ronstadt. Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten? In meinem Zimmer hing sogar ein Poster von Peter Frampton. Ich hätte eher ein Foto von Oscar Peterson erwartet. KRALL Obgleich er den größten musikalisc­hen Einfluss auf mich hatte, war er nicht mein einziges Idol. Auch Elton John habe ich stets als Vorbild betrachtet.

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FOTO: IMAGO Diana Krall in der vergangene­n Woche in Frankfurt.

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