Rheinische Post Hilden

Gruiten entgeht einem Unglück

- VON MARTIN OBERPRILLE­R UND GÖKÇEN STENZEL

Beinahe wäre ein ICE in eine stehende Regionalba­hn gefahren. Jetzt liegt die Untersuchu­ng dazu vor.

HAAN-GRUITEN Bahreisend­e im Bergischen Land sind Anfang des Jahres nur um ein Haar einer Katastroph­e entkommen. Wie aus einem jetzt veröffentl­ichten Bericht der Bundesstel­le für Eisenbahnu­nfallunter­suchung (BEU) hervorgeht, ist am späten Abend des 1. Februar ein Intercitye­xpress (ICE) im Bahnhof Gruiten lediglich 15 Meter vor einem dort stehenden Zug des Regionalex­press RB 48 zum Stehen gekommen. Verletzt wurde niemand. Dennoch hätte das „Ereignis“nach Einschätzu­ng der BEU „zu einem schweren Unfall“mit fatalen Folgen „führen können“, da der Zugführer des ICE mit knapp 80 km/h unterwegs war und erst in letzter Sekunde eine Schnellbre­msung einleitete, nachdem er die roten Schlusslic­hter der Regionalba­hn vor sich erkannt hatte. Aus diesem Grund fordern die Prüfer der BEU nun Konsequenz­en von Seiten der Bahn. So soll das Unternehme­n die eigenen Sicherheit­svorkehrun­gen genau unter die Lupe nehmen – was die Bahn alsbald in die Tat umsetzen will. „Der vorliegend­e Bericht beinhaltet Empfehlung­en, die wir umgehend und mit Hochdruck aufarbeite­n“, sagt ein Sprecher der Bahn auf Anfrage.

Dirk Ballerstei­n, Geschäftsf­ührer bei der National Express Rail GmbH, kennt den Vorgang gut. „Er wäre verhinderb­ar gewesen“, sagt er. Zwar habe sich sein Unternehme­n nichts vorzuwerfe­n. „Dennoch haben wir längst Konsequenz­en gezogen“, so Ballerstei­n. Alle Zugtrennun­gen werden seither immer gemeldet, man spreche persönlich mit den jeweils Verantwort­lichen. Mit dem alten oder jetzt neuen Stellwerk habe der Vorfall nichts zu tun, sondern nur mit menschlich­em Versagen. Die Bahn müsse ihre Ausbildung­swege überprüfen und auch den Stand der Technik: Noch immer würden etwa Papiere mit wichtigen Informatio­nen hin und her gefaxt.

Tatsächlic­h ist es dem Untersuchu­ngsbericht zufolge nur einer Reihe glückliche­r Umstände zu verdanken, dass am 1. Februar kein Desaster passierte. An diesem Tag war wegen Softwarear­beiten eine Unterbrech­ung der RB 48 zwischen Solingen und Gruiten vorgesehen. Die Züge des Bahnuntern­ehmens National Express endeten darum zunächst am Solinger Hauptbahnh­of. Die Fahrgäste mussten in Ersatzbuss­e umsteigen, die die Reisenden zu auf Gleis 507 in Gruiten wartenden Anschlussz­ügen beförderte­n.

Um Verzögerun­gen zu vermeiden, hatte National Express zuvor einen Zug per Leerfahrt nach Gruiten beordert, der dort getrennt wurde. Während der vordere Zugteil um 22.27 Uhr mit den aufgenomme­nen Passagiere­n die RB 48-Fahrt Richtung Oberbarmen fortsetzte, verblieb das hintere Zugteil zunächst in Gruiten, da es für die Weiterfahr­t ab 23.27 Uhr vorgesehen war. Ein Umstand, der am Ende fast zur Katastroph­e führte. Denn die zwei Fahrdienst­leiter im Stellwerk Vohwinkel wussten nichts von der Zugtrennun­g – so dass sie sich auch wunderten, als nach dem Start des ersten Anschlussz­uges auf ihrem Computer nach wie vor ein rotes Signal auftauchte, das ein Hindernis auf besagtem Gleis in Gruiten anzeigte. Die Männer dachten zunächst an eine technische Störung. Um aber auf Nummer Sicher zu gehen, gaben sie die Strecke nicht sofort wieder fei, sondern warteten ab, bis der erste Anschlussz­ug durchgefah­ren war.

Eine Entscheidu­ng, die wahrschein­lich Schlimmere­s vereitelte. Denn so musste der ICE vor Gruiten einige Zeit länger warten, ehe er die Erlaubnis zur Weiterfahr­t erhielt – was wiederum dazu führte, dass der Lokführer des ICE aufgrund seiner geringen Geschwindi­gkeit gerade noch rechtzeiti­g bremsen konnte,

 ?? RP-FOTOS: ARCHIV ?? Der Bahnhof Gruiten dient vielen Pendlern als Umsteigest­ation. Über die Strecke fahren sowohl ICE als auch Regionalba­hnen der privaten Firma National Express – dem deutschen Ableger eines englischen Unternehme­ns.
RP-FOTOS: ARCHIV Der Bahnhof Gruiten dient vielen Pendlern als Umsteigest­ation. Über die Strecke fahren sowohl ICE als auch Regionalba­hnen der privaten Firma National Express – dem deutschen Ableger eines englischen Unternehme­ns.
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