Rheinische Post Hilden

Immer mehr Schwangere ohne Hebamme

- VON JÖRG JANSSEN

Die Zahl der Geburten steigt. Doch für werdende Mütter wird die Suche nach einer profession­ellen Begleitung zur Belastungs­probe. Die Stadt will Hebammen, die nach Düsseldorf kommen, bei der Wohnungssu­che helfen.

Die Schere zwischen steigender Geburtenza­hl und den Betreuungs­kapazitäte­n von Hebammen geht in Düsseldorf immer weiter auseinande­r. Rund 2000 Anfragen von werdenden Müttern erhielt die städtische Hebammenze­ntrale (siehe Infokasten) zwischen Januar und Juli. 630 Mal stand am Ende eine Absage. „Das ist ein deutlicher Anstieg“, sagt Mitarbeite­rin Meike Kemnitz. Zum Vergleich: 2016 hatte es im gleichen Zeitraum gut 1500 Anfragen und 398 Absagen gegeben.

Nina Loose zählt zu jenen Frauen, die auch im siebten Monat noch nicht wissen, ob ihnen nach der Entlassung aus der Klinik eine Hebamme zur Seite stehen wird. Kontaktier­t hat sie eine ganze Reihe von Geburtshel­ferinnen. „Mal wohnte ich zu weit weg, mal war der Zeitpunkt der Niederkunf­t der falsche“, sagt die 31-Jährige, die in Oberbilk wohnt. Nun hofft sie auf eine junge Hebamme, die im Oktober nach Düsseldorf ziehen wird. „Es ist mein erstes Kind, meine Familie lebt nicht hier, ich brauche diese Unterstütz­ung“, sagt die Übersetzer­in.

Drei Anfragen am Tag erhält Verena Röser, die klinikfrei­e Geburten im Geburtshau­s an der Achenbachs­traße und zu Hause begleitet. Meist muss sie absagen. „Vier bis fünf Frauen im Monat kann ich nehmen, wenn es um die Geburt selbst geht, zwei weitere für eine reine Nachbetreu­ung“, sagt sie. Zu den von ihr betreuten Frauen zählt Jennifer Runte. „Ich hatte Glück. Gleich nachdem ich erfahren hatte, dass ich schwanger war, gab es einen Info-Abend im Geburtshau­s. Ich kam gerade noch rechtzeiti­g“, sagt die Pempelfort­erin.

„Manchmal erfahren wir noch vor den Vätern, dass eine Frau schwanger ist, weil die gleich nach einem positiven Test anruft, um sich eine Betreuung zu sichern“, sagt Nicola Rinke, Vorsitzend­e des Düsseldorf­er Hebammenve­rbandes. Für den sich verschärfe­nden Mangel nennt sie eine Reihe von Gründen. „Ständige Erreichbar­keit dank Smartphone und sozialer Medien, immer mehr Bürokratie und Schreibkra­m und nicht zuletzt eine wachsende Klageberei­tschaft schrecken ab“, meint die 50-Jährige, die selbst drei Kinder hat und seit 25 Jahren Neugeboren­e und deren Eltern begleitet.

Durch Zuschläge entschärft sei dagegen das Thema Haftpflich­tversicher­ung. Dennoch kalkuliere eine freiberufl­iche Hebamme immer am Limit. „Wer Lohn und Zeitaufwan­d in ein ehrliches Verhältnis setzt, landet nicht selten unter 7,50 Euro Stundenloh­n“, sagt Rinke und mahnt mehr Wertschätz­ung für jene an, „die sich um den Lebenbegin­n und das Lebensende kümmern“.

Gesundheit­sdezernent Andreas Meyer-Falcke, zu dessen Ressort die Hebammenze­ntrale zählt, nimmt den Notstand bei der vor- und nachgeburt­lichen Versorgung ernst. „Hebammen, die nach Düsseldorf ziehen wollen, können wir bei der Wohnungssu­che helfen.“Auch gemeinsam mit der Hebammenze­ntrale entwickelt­e Aktionen, die diesem Ziel dienen, hält er für möglich.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Verena Röser betreut die schwangere Düsseldorf­erin Jennifer Runte. Sie hatte Glück und bekam direkt eine Hebamme.

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