Gefordert: Mentalitätswechsel für eine neue Mobilität
Fachleute aus verschiedenen Bereichen diskutierten am Runden Tisch der Rheinischen Post zum Thema Luftreinhalteplan, wie die Belastungsgrenze für Stickoxide in Düsseldorf eingehalten werden kann. Eine Zusammenfassung.
Ein wenig unscheinbar steht er da, der beigefarbene Container auf der Corneliusstraße. Und wer nicht weiß, was sich in ihm verbirgt, könnte ihn auch für einen gewöhnlichen Baucontainer halten, wären da nicht die zahlreichen Messgeräte, die auf dem Dach des Containers montiert sind.
Die Messstelle des Landesumweltamts erfasst hier, an der vielbefahrenen Straße, seit Jahren unter anderem die Luftbelastung durch Stickoxide, eine Sammelbezeichnungen für die gasförmigen Oxide des Stickstoffs. Die können die Atmungsorgane reizen und schädigen. Erhöhte Konzentrationen dieser Stoffe in der Atemluft haben einen negativen Effekt auf die Lungenfunktion von Kindern und Erwachsenen. Bereits seit 2010 gilt bundesweit ein Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter im Jahresmittel. Auf der Corneliusstraße liegt der Wert derzeit bei 60 Mikrogramm, eine Überschreitung von 50 Prozent. Als Hauptverursacher gelten insbesondere Diesel-Pkw mit Euro-5-Motor. Und auch wenn nur rund die Hälfte der Luftbelastung auf den Autoverkehr zurückgeht, so ist dieser doch eine entscheidende Stellschraube, um die Situation in der Stadt zu verbessern. Nach einer Klage der Deutsche Umwelthilfe (DUH) im Jahr 2015 war die Stadt Düsseldorf infolgedessen vor Gericht verpflichtet worden, mehr für saubere Luft in der Landeshauptstadt zu tun. Notfalls sollen dafür auch Fahrverbote für Dieselautos erwirkt werden.
Am Runden Tisch im Verlagshaus der Rheinischen Post in Heerdt, zu dem Rheinische Post und IHK geladen hatten, diskutierten nun Fachleute aus verschiedenen Bereichen – Verwaltung, Handel und Unternehmen, Logistik und Transport – darüber, welche Maßnahmen nötig sind, um Düsseldorfs Luft sauber zu machen. Und wie schnell sie umsetzbar wären. Die Mobilitätswende Cornelia Zuschke, unter anderem für Stadt- und Verkehrsplanung sowie Verkehrsmanagement zuständige Beigeordnete der Stadt Düsseldorf, erklärte mit Blick auf den Zeitplan, die Mobilitätswende werde jetzt eingeleitet werden. Hintergrund: Am 1. April 2018 muss der Luftreinhalteplan für Düsseldorf in Kraft treten. Das Gebot der Stunde deshalb: Konzeptionell sehr stringent vorgehen, Meilensteine setzen und gemeinsam agieren – auch wenn es viele unterschiedliche Meinungen und Standpunkte zum Thema Stickoxidbelastung und Luftreinhaltung gibt. Für lange Grundatzdebatten nämlich fehle schlicht die Zeit. Der Mobilitätsplan 2030 ist ein Pilotprojekt, mit dem die Stadt vorangehen will. Gleichzeitig sei es wichtig, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für, aber auch ein Bedürfnis nach neuen Mobilitätsformen zu wecken. Zuschke forderte: „Wir müssen den Wandel möglich machen!“Und mit Blick nach Berlin: „Wir brauchen ein Konjunkturpaket Mobilitätswende!“Denn saubere Luft sei kein lokales oder regionales, sonder ein bundesweites Thema.
Auch Dr. Andrea Küsters (Bezirksregierung) meinte, es gebe nicht die „eine“Lösung, Stickoxide im geforderten Maß schnell zu reduzieren. „Deshalb müssen wir Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität einsammeln und umsetzen“– auch, wenn sich manches vielleicht als weniger effizient herausstellt als erwartet. „Die Frage wird sein: Geht es ohne Fahrerbote oder nicht?“
Prof. Bert Leerkamp, Uni Wuppertal, meinte, bisher aufgestellte Luftreinhaltepläne steckten voller Maßnahmen, von denen aber viele nicht umsetzbar, andere nicht zu evaluieren seien – die Pläne seien also in der Regel völlig überfrachtet. Das Zeitproblem indes mache harte Maßnahmen wie Fahrverbote für Diesel wahrscheinlicher. Dennoch: „Konzepte, die Verkehr in der Stadt einsparen, müssen sich lohnen“, plädierte Leerkamp. Es sollten Feldversuche unternommen werden, auch zunächst ungewöhnliche Maßnahmen ausprobiert werden, ohne Angst vor einem negativen Ergebnis. Denn: „Ohne etwas zu wagen, kommen wir nicht weiter!“
Unterdessen warnte Dr. Matthias Schubert, TÜV Rheinland, davor, den Diesel zu verteufeln. Was den Stickoxid-Ausstoß angehe, seien Benziner oft nicht viel besser als moderne Diesel. Den Fahrzeugbestand sauberer zu machen und gleichzeitig konsequent die Elektro-Mobilität zu fördern, sei jedenfalls besser als bloße Fahrverbote. Die Herausforderung Rheinbahn-Vorstand Klaus Klar bekannte, ein Freund der Elektro-Mobilität zu sein. Die Rheinbahn wird 2019 die ersten zehn Elektrobusse einsetzen, 2021 weitere zehn. Ziel sei, ab 2022 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge anzuschaffen. Zudem werden derzeit für rund 15 Millionen Euro neue Busse angeschafft. 42 Euro-6Leichtbau-Solo-Busse fahren durch Düsseldorf, bis Ende 2018 kommen etwa ebensoviele Gelenkbusse hinzu. Schneller geht’s nicht: Die Hersteller können nicht eher liefern. Um herauszufinden, ob die Busse tatsächlich im Betrieb die Abgasnorm erfüllen und nicht nur auf dem Teststand, hat die Rheinbahn ein „Düsseldorfer Profil“entwickelt, auf das sie die Busse gemeinsam mit dem TÜV prüft.
Gemeinschaftlich will auch Rolf Dollase (Stadtwerke) die Mobilitätsherausforderung angehen – schon mit Blick auf täglich 300.000 Pendler. „Gefragt ist ein integriertes Konzept, das sämtliche Akteure vernetzt“, sagte Dollase. Allerdings fehle die Datenbasis: „Wir wissen wenig über die Mobilität des Einzelnen.“Eine solide Datenbasis aber sei wichtig für die Verkehrsplanung. Zumal der „Umbau einer Stadt nicht von heute auf morgen geht. Er ein Generationenprojekt.“
Dass der Umbau kaum von heute auf morgen gelingen kann, meinte auch Johannes Schneider (Taxi Düsseldorf). Für „grüne“Taxis gibt es zu wenig Ladestationen in Düsseldorf, monierte er fehlende Infrastruktur. Ein Großteil der Taxi-Flotte fahre heute mit einer Euro-5-Plakette Hochgerechnet würde eine Umrüstung auf E-Taxis rund 20 Millionen Euro kosten. Die Kreativen Frank Hermsen (Altstadtmarketing) gab zu bedenken, dass es zwar einen ganzen Strauß an möglichen Maßnahmen gebe, deren Umsetzung aber häufig daran scheitere, dass der Einzelne kein Betroffenheitsgefühl habe. Das gelte für die Händler genauso wie für ihre Kunden. Um möglichts viele zum Mitmachen – und Umdenken – zu bewegen, müssten also auch für Händler Anreize geschaffen werden.
Daniel Klages (ISG GrafAdolf-Straße) meinte, es sei Kreativität gefragt, um die Menschen für das Thema saubere Luft zu interessieren – und nannte als Beispiel einen autofreien Samstag, den der Handel in ein Fest für seine Kunden verwandeln könnte. Und die wiederum würden die Innenstadt völlig neu erleben.
Marita Krüssel (Provinzial Rheinland Versicherung) berichtete von verschiedenen Maßnahmen ihres Unternehmens, das Bewusstsein der Mitarbeiter für umweltfreundliche Mobilität zu wecken – von Zuschüssen für Mitarbeiter ohne Pkw bis zum abschließbaren Fahrradraum. Sie hat aber auch beobachtet: Junge Düsseldorfer wollten gar nicht mehr unbedingt den Führerschein machen – die Perspektive verschiebt sich also.
Der Monheimer Unternehmer Bert Schukat (Schukat electronic) schafft ebenfalls Anreize für seine Mitarbeiter, umweltbewusst zur Arbeit zu kommen. Dabei wird er aber durch ein Kuriosum ausgebremst: Monheim liegt auf der Grenze zweier Verkehrsverbünde, was Jobtickets unerschwinglich macht. Schukat prüft weitere Möglichkeiten – und fährt selbst ein E-Auto. Die Hintergrundbelastung Timm Moll (Autohaus Moll) kritisierte, dass der Straßenverkehr an der Luftbelastung durch Stickoxide etwa 40 bis 50 Prozent ausmache. „Und alle reden jetzt über den Autoverkehr. Die anderen Ursachen werden aber nicht angegangen.“Zudem werde in der Diskussion häufig die Umweltbelastung ausgeblendet, die bei der Produktion der Akkus für E-Autos entsteht. Dennoch: „Im Jahr 2020 wird die E-Mobilität mit aller Macht losgehen, dann kommen Dutzende neuer Modelle auf den Markt.“
Andreas Kraemer (Autohaus P&A) berichtete von verunsicherten Kunden. Und nahm die eigene Branche in die Pflicht: „Wir müssen aufklären und Grenzwerte überprüfen“, sagte er. Zu prüfen sei aber auch, ob und in wieweit tatsächlich Pkw an der Luftbelastung mit Stickoxiden schuld sind, und ob nicht auch Maßnahmen gegen die Hintergrundbelastung, beispielsweise durch den Schiffsverkehr auf dem Rhein, eingeleitet werden müssen. Kraemer monierte: „Derzeit wird das Problem auf dem Rücken der Händler ausgetragen.“
Ralf Brandenburg (Autohaus Hans Brandenburg) berichtete, dass die Nachfrage nach E-Autos derzeit kaum zu decken sei. Um die Elektro-Mobilität aber noch attraktiver zu machen, sollten Anreize geschaffen werden – beispielsweise bevorzugte Fahrspuren oder Parkplätze in den Innenstädten. Die Logistiker Jörg Salomon, Deutsche Post DHL Group, meinte, E-Mobilität könne einen wichtigen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten, insbesondere bei kurzen Strecken. DHL setze auf diese Option: „Wir werden in Düsseldorf viele EAutos einsetzen und Lade-Infrastruktur schaffen“. Verbrauchern E-Mobilität schmackhaft zu machen, gelinge nur durch Überzeugung, nicht durch Zwang. Deshalb müsse man ihnen Ängste nehmen. Salomon ist überzeugt: „Täglich Strom zu tanken, wird künftig ganz normal sein.“
Gero Liebig (GLS) berichtete, dass der Druck auf die Zusteller wachse. „Jedes Jahr werden rund neun Prozent mehr Pakete nach Hause geliefert.“Und das möglichst nicht erst am Tag nach der Bestellung, sonder noch am gleichen Tag – und sogar innerhalb von wenigen Stunden. In Düsseldorf setze GLS bereits ein E-.Auto und ein E-Bike ein.
Holger te Heesen (ABC Logistik) sieht die Logistik-Branche im Fokus. Jeden Tag fahren 40.000 Lkw nach Düsseldorf hinein. „Wie reduzieren wir hier den Stickoxidausstoß ohne Verlierer?“, fragte er, zumal Elektro-Lkw wohl erst ab 2022 über die Straßen rollen werden. ABC Logistik hat ein Konzept namens „incharge“entwickelt, das Lieferverkehr in der City verringern soll. te Heesen: „Wir brauchen weitere Partner für dieses Konzept.“
Andreas Fleischer (Segro) warnte, der Zeitplan sei zu ambitioniert, „weil wir schon zu viel Zeit verschenkt haben – auch durch Versäumnisse der Politik.“Die Citylogistik sei schließlich schon seit den 1990ern ein ungelöstes Problem. „Wir kommen an E-Mobilität nicht vorbei“, meinte Fleischer – dafür brauche es aber „einen Mentalitätswechsel und eine neue Mobilität.“