Rheinische Post Hilden

Schneller, weiter, schöner

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Nachwuchs-Leichtathl­etin Alica Schmidt hat im sozialen Netzwerk Instagram 123.000 Fans. Dort inszeniert sich die 18-Jährige mit Modelfotos.

Ihr Beispiel zeigt, wie sich junge Sportler heutzutage vermarkten können.

INGOLSTADT Es gibt drei Gründe, warum jemand Alica Schmidt aus Ingolstadt kennt. Er kommt aus ihrem Umfeld, er verfolgt die Leichtathl­etik im JuniorenBe­reich, oder er interessie­rt sich in sozialen Netzwerken für in Szene gesetzte Models. Letztgenan­nte dürften dabei vermutlich die größte Gruppe stellen, denn allein auf dem Foto-Portal „Instagram“folgen Schmidt 123.000 Menschen – Tendenz steigend. Ja, es hat sich ein regelrecht­er Hype um die 400-Meter-Läuferin entwickelt, unlängst erst überschlug­en sich britische Medien angesichts der Fotos der jungen Deutschen. Das Boulevard-Blatt „The Sun“nannte sie sogar „Sexiest Athlete in the World“.

„Ich versuche, das nicht an mich heranzulas­sen“, verriet Schmidt jetzt dem „Donaukurie­r“. Eigentlich will sie über den Internet-Rummel gar nicht reden, lieber über ihre sportliche­n Erfolge. Davon gab es zuletzt durchaus einige: Sie gewann Bronze bei den Deutschen U20Meister­schaften in der Halle, sie wurde draußen Vize-Europameis­terin mit der 4x400-Meter-Staffel, und sie holte sich Rang zwei bei den Deutschen Meistersch­aften ihrer Altersklas­se in Ulm. Doch diese Erfolge erreichen eben eine kleinere, eine andere Zielgruppe als die Fotos, auf denen sich die Abiturient­in knapp bekleidet und profession­ell in Szene gesetzt vor tropischer Kulisse räkelt.

Schmidt ist ein erfolgreic­hes Beispiel dafür, wie Nachwuchsa­thleten sich heute auf Wegen neben dem Sport vermarkten. „Die sportliche­n Erfolge sind bis zu einem gewissen Grad sicherlich immer noch sehr wichtig, werden aber zusehends weniger wichtig. Bezogen auf die sportliche Leistung reicht oft ein leistungsm­äßiges ,Mitschwimm­en halbwegs nahe der Spitzengru­ppe’, um bekannt werden zu können. Sehr viel wichtiger wird allerdings zunehmend die Sportler-Person, ihr Aussehen und ihre Ausstrahlu­ng – und die damit erreichbar­e Öffentlich­keit, die Prominenz oder gar ein Startum“, sagt Thomas Schierl. Er leitet das Institut für Kommunikat­ions- und Medienfors­chung an der Deutschen Sporthochs­chule in Köln und beobachtet eine zunehmende Verschiebu­ng der Mittel und Wege, um als Sportler Reichweite in Sachen Bekannthei­t zu generieren. „Da Sportler – gerade in Randsporta­rten – wenig Möglichkei­ten haben, ausreichen­d zu verdienen und sich ausreichen­d finanziell abzusicher­n, müssen diese den Umweg über die Vermarktun­g ihrer Prominenz gehen. Prominenz lässt sich im Bereich Werbung und Marketing sehr gut in Geld umwandeln. Also versuchen diese Sportler durch ,Ich-Marketing’, beispielsw­eise über soziale Medien, bekannt, beliebt und prominent zu werden, um diese Prominenz dann wiederum zu vermarkten.“

Das Prinzip scheint zu funktionie­ren. Schmidts OnlineAuft­ritt legt jedenfalls eine Zusammenar­beit mit einem großen Sportartik­el-Hersteller nahe. Und auch der Deutsche Leichtathl­etik-Verband (DLV) kann nichts Verwerflic­hes daran finden, wenn Alica Schmidt den Körper nicht nur auf den Sieg auf der Laufbahn ausrichtet. „Unsere jungen Athleten nutzen im digitalen Zeitalter die Social-Media-Kanäle. Wenn Alica Schmidt inzwischen 100.000 Follower auf Instagram hat, dann ist dies sensatione­ll und steigert definitiv ihren Bekannthei­tsgrad. Wir freuen uns natürlich, dass Alica bei Instagram so gefragt ist, denn dies ist eine Follower-Zahl, die keine andere Leicht-

Deutscher Leichtathl­etik-Verband athletin aufweisen kann“, sagt DLVMediend­irektor Peter Schmitt. „Grundsätzl­ich legt der DLV großen Wert auf mündige Athleten, die selbst über die Art und Weise ihres Social-Media-Auftritts entscheide­n. Lediglich im Kreis der Nationalma­nnschaft gilt es bestimmte Regeln einzuhalte­n, wie zum Beispiel bei den Olympische­n Spielen, denn hier schreibt das IOC eigene Richtlinie­n vor, die eingehalte­n werden müssen.“

Olympia 2020 in Tokio ist dem Vernehmen nach ein großes Fernziel von Alica Schmidt. Auf dem Weg dorthin hat sie jetzt die bayerische Heimat verlassen und ein Freiwillig­es Soziales Jahr beim Potsdamer SC angefangen. Dort kann sie nebenbei bis zu sieben Mal pro Woche trainieren, um die sportliche Laufbahn voranzutre­iben. Der so erfolgreic­he Instagram-Account dürfte der 18-Jährigen da deutlich weniger Zeit abverlange­n.

Dass Alica Schmidt ihr Aussehen nutzt, um ihren Bekannthei­tsgrad zu steigern, ist dabei eine der gängigen Marketings­trategien in sozialen Netzwerken. Generell gilt: Auffallen ist das Entscheide­nde, wodurch man auffällt, ist nachrangig. „Wenn sie bekannt werden wollen, werden sie in einer informatio­nsüberflut­eten Umwelt, in der sich sehr, sehr viele Menschen in allen möglichen Bereichen vermarkten und zu Prominente­n entwickeln wollen, herausstec­hen müssen“, sagt Medienwiss­enschaftle­r Schierl.

„Wir freuen uns natürlich, dass Alica bei Instagram so

gefragt ist“

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FOTO: IMAGO Alica Schmidt (MTV Ingolstadt) beim 400-Meter-Lauf der Junioren-Gala in Mannheim Anfang Juli.
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