Personalchaos bei der Deutschen Bahn
Eigentlich sollte der Chef der Güterverkehrssparte, Jürgen Wilder, in den Konzernvorstand aufrücken. Doch vor allem die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat stellten sich quer. Jetzt ist Wilder nicht nur seine Kandidatur, sondern auch seinen Job los.
DÜSSELDORF Sie sind gebrannte Kinder bei der Deutschen Bahn, wenn es um das Thema Personalentscheidungen im Aufsichtsrat geht. Zu frisch sind noch die Wunden, die der überraschende Abgang von Bahnchef Rüdiger Grube im Januar hinterlassen hatte. Streitigkeiten um den Vertrag des Konzernchefs hatten damals dazu geführt, dass Grube in einer turbulenten Sitzung entnervt hinwarf. Aufsichtsratschef Utz-Hellmuth Felcht musste sich anschließend den Vorwurf gefallen lassen, die Sitzung schlecht vorbereitet zu haben.
Ein Vorwurf, der nun wieder im Raum stehen könnte. Denn seit gestern sind die Bahn und ihr Aufsichtsrat in Sachen Personalchaos um ein Kapitel reicher: Eigentlich sollte das Kontrollgremium in seiner morgigen Sitzung drei vakante Posten im Konzernvorstand besetzen. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Zunächst sickerte durch, dass der angesetzte Termin wohl nicht mehr zu halten sei. Die zweite Verschiebung innerhalb weniger Monate. Grund war der Streit um die Personalie Jürgen Wilder. Der Chef der Güterverkehrssparte DB Cargo sollte eigentlich zum Vorstand Güterverkehr und Logistik befördert werden. Doch insbesondere die Arbeitnehmer lehnten den 2015 von Siemens zur Bahn gewechselten Manager ab. Der hatte in seiner kurzen Amtszeit durch sein als ruppig beschriebenes Auftreten zu viel Porzellan zerschlagen. Die Arbeitnehmer beklagen zudem, dass Wilder bis heute keine nachvollziehbare Strategie vorweisen könne. Erst habe er in der kriselnden Gütersparte massenhaft Beschäftigte freisetzen wollen, um von null wieder anzufangen. Dann seien nach der Absenkung der Trassenpreise – einer zentralen Forderung der Arbeitnehmer – plötzlich wieder Hunderte Loks bestellt worden. Das Hin und Her dürfte dazu geführt haben, dass die Arbeitnehmer auf stur schalteten und die im Aufsichtsrat verbliebenen SPD-Vertreter auf ihre Seite zogen.
Am Nachmittag wurde es dem Management zu bunt, und es zog die Reißleine: In einer kurzen Mitteilung gab Wilder selbst bekannt, dass er nicht mehr für den DB-Vorstandsposten zur Verfügung stehe. „Angesichts der aktuellen Diskussionen habe ich mich entschlossen, meine Kandidatur nicht weiter aufrechtzuerhalten“, erklärte er. Konzernvorstand Berthold Huber teilte zudem mit, dass Wilder Ende Oktober 2017 auch seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der DB Cargo AG beenden werde.
Wie aus Aufsichtsratskreisen verlautete, soll trotz Wilders Rückzug der für morgen angesetzte Aufsichtsratstermin verschoben werden. Das birgt neue Risiken. So steigt die Sorge, dass auch die beiden weiteren Vorstands-Kandidaten abspringen oder verhindert werden könnten. Für das bedeutende Ressort Technik und Digitales ist die Aachener Professorin Sabina Jeschke vorgesehen. Neuer Arbeitsdirektor soll auf Vorschlag der Gewerkschaften der bisherige Personalvorstand der Telekom Deutschland, Martin Seiler, werden. Möglich, dass vor allem die zweite Personalie als Revanche für die Wilders-Blockade gefährdet sein könnte. Der Bahn-Aufsichtsrat steuert erneut auf unsichere Zeiten zu.