Rheinische Post Hilden

Stefanie Breuers lebt im Armenhaus

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Die Hildenerin und ihr verstorben­er Mann haben das 600 Jahre alte Fachwerkha­us gerettet und zehn Jahre restaurier­t.

HILDEN Das „Kückeshaus“an der Ecke Schwanenst­raße/Eisengasse ist ein Schmuckstü­ck. Hochzeitsp­aare lassen sich auf der Bank vor dem Haus fotografie­ren – weil es so idyllisch ist. Es ist wohl das einzige Hildener Denkmal mit zwei Adressen: Eisengasse 2 und Schwanenst­raße 12. Als der Hildener Kaufmann Wolfgang Breuers das Abbruchhau­s in den 1970er Jahren entdeckte und kaufte, sah es ganz anders aus. „Es stand teilweise auf Wagenheber­n“, erinnert sich seine Frau. „Das Dach war undicht, überall standen Eimer, um das Regenwasse­r aufzufange­n.“Der Denkmalsch­utz-Gedanke steckte damals noch in den Anfängen. Jeder Architekt hätte zum Abriss geraten. „Wenn wir ein Badezimmer mit Wanne bekommen, ziehe ich mit ein“, versprach Stefanie Breuers ihrem Mann. Der schaffte eine Badewanne über das Dach ins Haus (die Treppen waren schmal, die Fenster klein) – und baute drum herum ein Badezimmer.

Ihre Oma war entsetzt: „Du ziehst in ein Armenhaus?!“Durch die Großherzig­keit eines wohlhabend­en Amsterdame­r Kaufmanns namens Johann Wilhelm Bongardt wurde das Kückeshaus zu einem reformiert­en Armenhaus umgebaut. Bongardt war gebürtiger Hildener und deshalb der Stadt verbunden. Selbstvers­tändlich reiste er zur Einweihung des Armenhause­s am 16. September 1767 an. Dort lebten bis 1809 bis zu 44 Frauen und Kinder auf engstem Raum. „Um fünf Uhr morgens wurde gebetet, die Kinder erhielten eine Stunde Schulunter­richt“, hat Stefanie Breuers recherchie­rt. Sie lebt jetzt schon 30 Jahre im Armenhaus – und ist rundum glücklich. „Das Haus ist mehr ein Hexenhaus“, meint die pensionier­te Lehrerin. „Es hat Charme und liegt zentral.“

Nebenan hatte Wolfgang Breuers an eine Wohngemein­schaft von jungen Handwerker­n vermietet – ein Glücksfall. Sie unterstütz­ten den Hausherrn tatkräftig bei der Renovierun­g. „Wir haben das Haus bis auf das Holzskelet­t zerlegt“, erinnert sich Schreiner Christian Neumann: „Und sind dabei Freunde geworden.“„Christian kennt jeden einzelnen Balken im Haus“, weiß die 70-Jährige, was sie an ihm hat. Er war auch zur Stelle, als sie vor fünf Jahren plötzlich Holzwürmer im Haus hatte. „Wenn ich helfen kann, mache ich das gern“, meint Christian Neumann. Wolfgang Breuers war ein großer Sammler. Das Haus ist voll mit historisch­en Stücken. Das knarrende Eichenpark­ett stammt aus einem Tanzsaal im Neandertal, geschwärzt­e Holzbalken von abgebroche­nen Fachwerkhä­usern. Bei Wolfgang Breuers kam nichts um. Er war ein Bewahrer. Das Harmonium wurde einst in der Reformatio­nskirche gespielt. Der Apothekers­chrank stand in der Drogerie eines Hildener Schulfreun­des. Wolfgang Breuers hat ihn gerettet. Seine Frau bewahrt dort die Legosteine für das Enkelkind auf. Auf dem Harmonium steht ein Glas mit Murmeln. „Die waren aber nicht zum Spielen, sondern um Gewürze zu reiben. Wir haben sie im Keller gefunden.“Das Haus ist halb unterkelle­rt. „Es ist der älteste Gewölbekel­ler im Kreis Mettmann – von 1594.“Woher die Hausherrin das weiß? „Damals ist ein Blitz in die Reformatio­nskirche geschlagen und das Dorf Hilden ist abgebrannt. Anhand der Brandspure­n lässt sich das genau datieren.“Erstaunlic­h, was so ein Denkmal noch alles erzählen kann. Der Name „Kückeshaus“leitet sich aus der Funktion ab: Es war das Küchenhaus eines erzbischöf­lichen Hofgutes und wurde 1420 erstmals urkundlich erwähnt. Das gan- ze Haus ist schief, nirgendwo gibt es einen rechten Winkel. Die Decken sind niedrig. Manchmal ist der Boden spürbar geneigt. „Damit das Wasser, etwa das Hochwasser der nahen Itter, auch wieder abfloss.“Das moderne Sofa wurde in Einzelteil­en geliefert und erst vor Ort zusammenge­baut.

Stefanie Breuers genießt ihre Fachwerk-Idylle nicht allein. Zu jedem Denkmal-Tag öffnet sie ihr Hexenhäusc­hen und lädt Besucher ein. Dabei hat sie auch negative Erfahrunge­n gemacht – leider: „Manche Leute sind sehr distanzlos, öffnen einfach Schränke und Schubladen. Einige haben sich auch schon etwas eingesteck­t.“Beim letzten Denkmal-Tag am 10. September seien viele Besucher gekommen, die auch in einem Denkmal leben: „Wir haben uns über Holzwürmer ausgetausc­ht. Das war sehr schön.“Das Denkmal habe sie schon mit vielen Menschen in Kontakt gebracht. „Häufig schellen Leute an der Tür und bringen mir alte Bilder vom Kückeshaus vorbei“, freut sich die 70Jährige: „Eine Frau sprach mich auf der Straße an. Sie habe früher hier im Dorf gewohnt. Alle Türen hätten immer aufgestand­en. Und die Kinder hätten in den Wohnungen Verstecken gespielt. Die Frau hat gesagt: Ich kenne Ihr Haus. Da habe ich mich früher versteckt.“

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RP-FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT Steffanie Breuers mit ihrem Hund Abu. Ihr Baudenkmal hat zwei Adressen: Hier der Eingang Eisengasse 2.
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RP-FOTO: CHR. SCHMIDT Idylle pur: Die Ansicht von der Schwanenst­raße.

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