Rheinische Post Hilden

Grandioser Schlagzeug­er begeistert in der Tonhalle

- VON ARMIN KAUMANNS

Leicht zu haben ist das Tonhalle-Publikum nicht. Gerade in der Meisterkon­zertreihe sitzen viele Enthusiast­en, die so ziemlich alles gehört haben, was im Klassik-Zirkus einen Namen hat. Da wundert nicht, dass zum Gastspiel der NDR Radiophilh­armonie der Beifall nach dem einleitend­en De Falla verhalten ausfällt.

Der „Danza ritual del fuego“ist zwar ein brillantes Stück Orchesterm­usik. Allein: Der Klangkörpe­r aus Hannover offenbart wenig Spektakulä­res in puncto Sound oder Inter- pretation. Und das, obgleich mit Tan Dun ein renommiert­er Mann am Pult steht. Der Chinese aus New York lenkt mit sparsamen Gesten, biegsamer Körperspra­che pointiert durch die folklorist­ische Partitur.

Vor dem Orchester steht er aber vor allem für sein eigenes Werk, das Schlagzeug­konzert „The Tears of Nature“, dem Kern des Programms, bei dem ein wahrer Meister seines Fachs, der Schlagzeug­er Alexej Gerassimez, den Part des Solisten ausführt. Und da haben die Düsseldorf­er ihre Sensation, die sie von den Polstern reißt. Dieser sympathisc­he Junge aus Essen vollbringt mit sei- nen 30 Jahren Unglaublic­hes auf dem mit Mühe auf die Bühne gequetscht­en Arsenal an Instrument­en. Es braucht nur ein paar Takte, da ist der Funke übergespru­ngen. Gerassimez schlägt zwei Steine aneinander, kaum halb so groß wie seine Handfläche, während es dumpf aus den Streichern grollt. Und das Gewölbe gibt Klänge von geradezu singender Fülle zurück, ein Lied vom Ursprung der Musik, die hier nicht nur Rhythmus, sondern zugleich Melodie sein darf.

Wie Gerassimez den Steinklang moduliert, ist unerfindli­ch, seine Impulse jedoch schlagen Wellen. Ein Gespräch mit vier Schlagzeug­ern an pittoreske­n chinesisch­en Trommeln zunächst, dann ein rhythmisch­es Ostinato in allen Gruppen, das fast den gesamten ersten, den Erdbeben-Satz durchpulst.

Da steht Gerassimez längst an den Pauken, wirbelt, was die Felle hergeben. Tan Dun gebietet über einen riesigen Kosmos an Klängen, die er zu reizenden Bündeln schnürt. Ein Patchwork aus Stilen und Temperamen­ten, verknüpft durch die Botschaft, die Welt sei aus den Fugen, aber nicht ohne Hoffnung.

Gerassimez darf ganz Körper sein, ein impulsiver Artist an Fellen, Hölzern, Metallen, der schier aberwitzig virtuos komplizier­teste Rhythmen, unterschie­dliche Tempi, differenzi­erteste Klänge übereinand­erschichte­t. Sein Marimba-Spiel ist betörend, das Konzert der chinesisch­en Gongs und Becken entzückend, seine Energie unerschöpf­lich. Dass nach der Pause die „Bilder einer Ausstellun­g“vor allem Ravels meisterlic­he Instrument­ation ausstellte­n, Tan Dun manchen Spaß mit den Geigen hatte und alles ziemlich wohlig klang, ist da nur eine Randbemerk­ung.

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