Rheinische Post Hilden

BAYER-04-TRAINER HEIKO HERRLICH Glaube, Liebe, Fußball

- JOHANNES KIRCHENKAM­P VOM PFARRGEMEI­NDERAT SANKT REMIGIUS OPLADEN STELLTE DIE FRAGEN. DAS KOMPLETTE INTERVIEW ERSCHEINT ENDE NOVEMBER IM PFARRBRIEF.

Wenn ein Brasiliane­r unter seinem Trikot ein Jesus-T-Shirt trägt, wundert das niemanden. Wenn sich ein Spieler oder Trainer offen zu seinem Glauben bekennt, wirkt es von außen noch exotisch. Fühlen Sie sich mit Ihrem Bekenntnis zu christlich­en Werten als Exot? HERRLICH Meinen missionari­schen Auftrag, den ich als Christ habe, erfülle ich mal mehr, mal weniger. Es gab Phasen, da habe ich mich zu meinem Glauben überhaupt nicht geäußert. Ich empfand das als meine Privatsach­e. Es gab aber auch Situatione­n, in denen ich das Verlangen hatte, meine Glauben zu teilen, ihn weiterzuge­ben. Vor allem während beziehungs­weise nach meiner Hirntumor-Erkrankung wollte ich das Glück, das ich empfunden habe, weitergebe­n: die Erfahrung, dass man getragen wird. Allerdings fühle ich mich nicht ganz wohl, wenn Spieler nach einem Torerfolg das Trikot heben und darunter ein Bekenntnis zu Jesus steht. Das suggeriert nämlich, dass man stets Erfolg hat, wenn man an Gott glaubt. Das ist natürlich nicht der Fall. Der Glaube ist auch – und gerade dann – für einen da, wenn es einem nicht gut geht. Gibt es konkrete Punkte, in denen Ihr Glaube Einfluss auf die alltäglich­e Trainingsa­rbeit hat? HERRLICH In diesem Zusammenha­ng möchte ich die Leute, auch meine Spieler, nicht überforder­n. Aber ich zitiere, wenn es passt, gerne aus der Bibel. Gerade wenn es Spannungen innerhalb der Mannschaft gibt. Da kann man wunderbar die Bibel zurate ziehen und es gibt einige passende Textpassag­en. Ich kann mich an eine Situation in Regensburg erinnern. Dort hat sich ein Spieler klar im Ton vergriffen. Alle haben auf mich geschaut und eine Reaktion erwartet. Mir war klar, wenn ich jetzt eine falsche Entscheidu­ng treffe, wenn ich zu nachgiebig bin, dann kann ich die Mannschaft verlieren. Ich habe daraufhin ein Gleichnis aus dem Johannes-Evangelium vorgetrage­n: „Eine Ehebrecher­in sollte gesteinigt werden. Jesus kommt dazu. Die Leute sagen zu ihm: Die Frau hat die Ehe gebrochen, sie muss gesteinigt werden; was sollen wir tun? Jesus kritzelt daraufhin etwas auf den Boden und sagt: Wer von Euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein werfen. Nach und nach gehen alle weg, die Alten zuerst.“Mich beeindruck­t diese Geschichte sehr. Gerade die Alten wissen: Wir haben in unserem Leben selbst genug Fehler gemacht. Auch wenn die Sünde noch so groß ist: Es geht immer wieder darum, zu vergeben. Wir dürfen uns nicht zum Richter machen, sondern sollten immer wieder aufeinande­r zugehen und verzeihen. Der Spieler hat anschließe­nd die Mannschaft zweimal zum Essen eingeladen, und es hat funktionie­rt.

Für manchen Fan ist Fußball eine Religion. Und umgekehrt? Was kann die Religion im Fußball bewirken? Eine ganze Menge, findet Heiko Herrlich, Trainer bei Bayer 04. Sie hat ihm als Spieler geholfen, vor allem, als ein Hirntumor seine Karriere zu beenden drohte. Auch als Trainer steht er offen zu seinem Glauben. Und wenn es gerade passt, zitiert er in der Kabine auch mal aus der Bibel.

Sie haben einmal einem Bibelkreis mit Jorginho und anderen Spielern angehört. Könnten Sie sich so etwas noch für Spieler der Generation Brandt oder Havertz vorstellen? HERRLICH Damals wie heute gibt es eine Reihe von Spielern, die gläubig sind. Gerade in dieser ausgeprägt­en Leistungsg­esellschaf­t kann dir der Glaube helfen. Er gibt dir Kraft sowie Halt und lässt dich verschiede­ne Ereignisse besser einordnen. Wenn ein Spieler diesen Impuls in sich trägt, würde ich ihn auf alle Fälle bestärken. Doch es ist sehr wichtig, dass jeder selbst diese Entscheidu­ng trifft.

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