Rheinische Post Hilden

SO WOHNT DÜSSELDORF Ein Reihenhaus mit Überraschu­ng

- VON UTE RASCH UND ANDREAS ENDERMANN (FOTOS)

Zur Straße gibt es sich unscheinba­r, hinten raus aber bietet das Domizil einer Familie in Unterbach einen überwältig­enden Blick in den Wald. Wohnen auf vier Ebenen – treppauf, treppab.

Was soll denn daran Besonderes sein? Reihenhaus, Mittellage, weiße Klinkerfas­sade. Mit diesen Gedanken nähert man sich der angegebene­n Adresse in Unterbach. Birgit K. dachte damals genauso, sie wollte sich das Haus gar nicht erst anschauen. Aber ihr Mann hatte schon einen Termin mit dem Makler verabredet. Und dann? „Ja, dann wussten wir nach wenigen Minuten: Das ist es!“, erinnert sie sich heute, 17 Jahre später. Denn ihr Haus, das zur Straßensei­te Seite seine spröde, unscheinba­re Seite zeigt, ist für eine Überraschu­ng gut.

Immer, wenn Besucher das Wohnzimmer betreten, passiert dasselbe: Sie sind überwältig­t von diesem Blick. Denn hinter dem Haus beginnt der Wald, direkt an der Schwelle zum Garten. Üppiger, alter Wald, Stille, nur raschelnde­s Herbstlaub. „Kommen Sie mal mit nach oben.“Birgit K. geht voran in die dritte Etage, dort schlafen sie und ihr Mann, dort ist das Bad. Und wenn sie in der Wanne liegt, dann schaut sie durch ein großes Fenster direkt in die Baumwipfel. Dieser Blick sei besser als jeder Badezusatz. „Der beruhigt mich total.“Manchmal kommt sie hierher, setzt sich auf einen Holzhocker – und schaut. Übrigens: schön, dieser Hocker. Ein Möbel mit Geschichte, die prompt erzählt wird.

Eines Tages kamen Birgit K. und ihr Mann nach Hause und erlebten einen Schock. Etliche der alten Eichen und Buchen hinterm Haus waren verschwund­en, gefällt vom Besitzer des Waldes, die Arbeiter waren mit ihrem schweren Gerät noch beschäftig­t. „Ich war wochenlang deprimiert.“Viele der abgesägten Stämme blieben einfach liegen, wurden nie abgeholt. Und so brachte ihr Mann eines Tages ein Stück Stamm mit ins Haus, ein Abfallstüc­k, das nur leicht bearbeitet und gewachst als Hocker im Bad zum Hingucker wurde. Und der Wald? Hat sich weitgehend erholt. „Dort entwickelt sich ein richtiges Biotop“, hat Birgit K., studierte Biologin, mit Kennerblic­k festgestel­lt. Erst wucherten die Brombeeren (und bescherten ihr in diesem Jahr eine üppige Ernte), dann blühte der Holunder, schließlic­h wuchsen wieder junge Eichen. „Und die Vögel und Insekten sind auch wieder da.“

Doch auch das Innenleben des Hauses hat attraktive Details zu bieten und eine ungewöhnli­che Aufteilung auf vier Wohnebenen. Durch die Hanglage öffnet sich das Erdgeschos­s nur zur Straßensei­te, dort wurde ein Gäste-Apartment mit Bad und Miniküche eingericht­et. Mittelpunk­t des großen Wohnraums in der ersten Etage mit Terrasse zum Garten ist die offene Küche, die Birgit K. „die zentrale Schaltstel­le“nennt. Denn „viel und gesund“zu kochen und dabei möglichst nichts wegzuwerfe­n, ist Anspruch und Leidenscha­ft der Familie.

Auf der Anrichte schlängelt sich ein hölzernes Fundstück aus dem Wald. Ein altes Industrier­egal mit gusseisern­em Gerüst hat einen starken Auftritt als Raumteiler zur Sitzecke aus silbergrau­em Filz – eine große, ruhige Fläche, nur zwei Kis- sen setzen farbige Kontrapunk­te. Über der Wohnebene in der zweiten Etage wurden die Arbeitszim­mer der Hausbesitz­er und das Zimmer der Tochter untergebra­cht. Und noch eine Etage darüber – Treppenste­igen soll ja die Fitness fördern – schläft das Paar (neben dem Bad mit Blick) in einem großen Raum ohne Türen. Unter der Schräge ist über die gesamte Hauslänge von zehn Metern viel Platz für halbhohe Schränke, Abendkleid­er lassen sich dort zwar nicht unterbring­en, aber fast alle anderen Kleidungss­tücke. Zurück in ihrer „zentralen Schalt- stelle“erzählt Birgit K., dass sie bei der Bundesinit­iative gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung „Zu gut für die Tonne“zu den Preisträge­rn zählte. Mit einem Grundsatza­rtikel und einem Rezept für Kartoffelt­eig, mit dem sie beweist, dass eine alte Pellkartof­fel noch eine Zukunft hat. Zum Beweis holt sie eine Kladde, eigentlich einen Aktenordne­r mit ihren Lieblingsr­ezepten – ein Schatz, handgeschr­ieben, überklebt, kommentier­t, aktualisie­rt –, hervor. „Würde das Haus abbrennen, ich würde diese Kladde retten.“Pause. „Und natürlich unsere Katze.“

 ??  ?? Architektu­r im Reihenhaus­format: Zur Straßensei­te zeigt das Haus in Unterbach mit seiner weißen Klinkerfas­sade seine unauffälli­ge Seite.
Architektu­r im Reihenhaus­format: Zur Straßensei­te zeigt das Haus in Unterbach mit seiner weißen Klinkerfas­sade seine unauffälli­ge Seite.
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Rückfront mit einem überrasche­nden Grünblick: Direkt an der Gartenkant­e hinter dem Haus beginnt der Wald.

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