Rheinische Post Hilden

Amerikaner stehen unter Schock

- VON FRANK HERRMANN

Der Mann, der in einer Kirche in Texas 26 Menschen erschossen hat, hatte persönlich­e Beziehunge­n in die Gemeinde.

WASHINGTON Diesmal ist es Barack Obama, der Präsident, der ebenso energisch wie vergebens für schärfere Waffengese­tze kämpfte, der die Dinge beim Namen nennt. Er trauere mit allen in Sutherland Springs, denen dieser Akt des Hasses Leid zugefügt habe, schrieb er in einem Tweet. Und kurz darauf: „Möge Gott uns allen die Weisheit schenken, zu fragen, welche konkreten Schritte wir gehen können, um die Gewalt und das Waffenarse­nal in unserer Mitte zu reduzieren“.

Nach dem Massaker in einer texanische­n Kirche stehen die USA einmal mehr unter Schock. Nur fünf Wochen nach dem Blutbad von Las Vegas, wo der ehemalige Buchhalter Stephen Paddock 58 Konzertbes­ucher erschoss. Nicht einmal eine Woche nach dem Anschlag in New York, wo der aus Usbekistan stammende Lastwagenf­ahrer Sayfullo Saipov einen Pick-up mietete, um auf einem Radweg willkürlic­h Menschen über den Haufen zu fahren.

Leroy Moore, Betreiber eines Campingpla­tzes in Sutherland Springs, bringt auf den Punkt, was viele ähnlich empfinden dürften. „Ist denn die ganze Welt aus den Fugen geraten?“, fragt er in einem TVIntervie­w. Könne man nicht mal mehr sonntags in die Kirche gehen, ohne erschossen zu werden? Könne man sich nicht mal mehr auf ein Fahrrad setzen, ohne niedergemä­ht zu werden?

Sutherland Springs, das verstärkt die Ratlosigke­it noch, ist ein verschlafe­nes Nest mit höchstens 700 Bewohnern. Einst wegen seiner Heilquelle­n bei Rheumakran­ken beliebt, nach schweren Überschwem­mungen vor 104 Jahren in die Bedeutungs­losigkeit gefallen. Die meisten, die hier leben, fahren zur Arbeit nach San Antonio, in die nächste größere Stadt. Sonntags versammelt sich der halbe Ort in der First Baptist Church.

Dort begann Devin Patrick Kelley, in Schwarz gekleidet, mit kugelsiche­rer Weste, bewaffnet mit einem Sturmgeweh­r der Marke Ruger, am Sonntagvor­mittag nach elf um sich zu schießen. Erst vor dem Gotteshaus, dann in dem Gebäude. 26 Menschen tötete er; die Zahl kann noch steigen, da einige der Verletzten offenbar in Lebensgefa­hr schweben. Tot ist die 14 Jahre alte Annabelle Pomeroy, Tochter des Pfarrers Frank Pomeroy und seiner Gattin Sherri, die beide am Sonntag auf Reisen waren. Tot sind acht Kinder, Enkel und Urenkel von Joe und Claryce Holcombe. Wie Joe Hol- combe der „Washington Post“sagte, kamen sowohl sein Sohn Bryan (60) als auch dessen Ehefrau Carla (58) ums Leben. Sowohl seine schwangere Enkeltocht­er Crystal als auch drei ihrer Kinder (Crystals Mann John überlebte, zusammen mit zwei weiteren Kindern des Paars). Außerdem starb ein Enkelsohn namens Marc, und mit ihm, so Holcombe, dessen einjährige Tochter.

Tot ist auch der Täter. Als er nach dem Blutbad zu fliehen versuchte, wurde er Augenzeuge­n zufolge von einer Kugel aus dem Gewehr eines herbeigeei­lten Passanten getroffen. Kelley ließ seine Waffe fallen, sprang in sein Auto und raste davon. So schildert es Johnnie Langendorf­f, ein Schlaks mit Cowboyhut, Kinnbart und Tattoo am Hals, den ein Land, das nach jedem Schusswaff­enmassaker wie zum Trost nach Heldengesc­hichten sucht, als den Helden von Sutherland Springs feiert. Langendorf­f war in seinem Truck in der Nähe der Kirche unter- wegs, als er sah, wie zwei Männer aufeinande­r feuerten. Der eine suchte in einem Geländewag­en das Weite, der andere stürzte auf ihn zu und bat ihn, die Verfolgung­sjagd aufzunehme­n. „Und das ist es, was ich getan habe. Ich habe einfach gehandelt“, sagte Langendorf­f einer lokalen Fernsehsta­tion. Nach ein paar Minuten hätten sie den Fliehenden eingeholt, der habe die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und sei im Straßengra­ben gelandet. Sein Beifahrer, so Langendorf­f, sei mit Waffe im Anschlag hingerannt, da habe sich der Mann aber schon nicht mehr bewegt. Im Moment gehe man davon aus, dass er sich das Leben nahm, erklärte Joe Tackitt, der zuständige Sheriff.

Kelley, ein weißhäutig­er Texaner, lebte in New Braunfels, einer Kleinstadt in der Nähe San Antonios. 2010 ging er nach der High School zur Luftwaffe, die ihn vier Jahre später in Unehren entließ. Stationier­t auf einem Stützpunkt der Air Force im Bundesstaa­t New Mexico, wurde er 2012 vor ein Militärger­icht gestellt, weil er seine Frau und sein Kind angegriffe­n hatte, und zu zwölf Monaten Gefängnis verurteilt. Nachdem seine erste Ehe in die Brüche gegangen war, heiratete er ein zweites Mal, schreibt die Zeitung „San Antonio ExpressNew­s“. Kelleys frühere Schwiegere­ltern, deutet der Sheriff ein mögliches Tatmotiv an, sollen regelmäßig­e Besucher der Baptistenk­irche in Sutherland Springs gewesen sein.

 ?? FOTO: DPA ?? In dieser texanische­n Kirche wurden 26 Menschen erschossen. Die Polizei sperrte den Tatort ab.
FOTO: DPA In dieser texanische­n Kirche wurden 26 Menschen erschossen. Die Polizei sperrte den Tatort ab.

Newspapers in German

Newspapers from Germany