Rheinische Post Hilden

Gemeinde sucht St. Martin per Inserat

-

In Alpen-Bönninghar­dt musste der St.-Martin-Darsteller aus berufliche­n Gründen absagen. Kurzerhand wurde im Internet nach einem Ersatz gesucht – und gefunden. Drei kleine Martinsges­chichten aus der Region.

DÜSSELDORF (RP) In diesen Tagen ziehen in Nordrhein-Westfalen in fast jeder Stadt wieder Kinder mit Laternen singend durch die Straßen. Besonders beliebt sind die Martinszüg­e im Rheinland, wo die Tradition immateriel­les Weltkultur­erbe der Unesco werden soll. Die Vorbereitu­ngen auf das Fest dauern oft monatelang. Nicht immer läuft alles nach Plan. Alpen Die Not war groß auf dem schmalen Höhenzug Bönninghar­dt in der niederrhei­nischen Gemeinde Alpen. Der Tag des Martinszug­es rückte näher, die Laternen waren gebastelt, die Lieder eingeübt und die Vorfreude bei den Kindern im Dorf war groß. Nur das örtliche Martinskom­itee konnte die Vorfreude nicht so recht teilen. Denn ihm war der Heilige Martin plötzlich abhanden gekommen – aus ganz weltlichen Gründen. Hendrik Betten, der dem Fackelzug in den vergangene­n Jahren stets im wehenden roten Mantel vorangerit­ten war, musste aus berufliche­n Gründen absagen. Florian Spettmann, Vorsitzend­er des örtlichen Martinskom­itees, schaltete daraufhin mit seinem Freund Marc Torke eine Art Stelleanze­ige im Internet. Das Anforderun­gsprofil lautete: Nach Möglichkei­t männlich sein, sicher auf dem Pferd und ohne Scheu vor großem Publikum die Szene mit der Mantelteil­ung zu spielen. Das Inserat hatte Erfolg: Eine Frau aus Bönninghar­dt rief einen Bekannten in Oberhausen an. Und der hat ihr noch am Telefon zugesagt, die Rolle des St. Martin zu übernehmen. So steigt er nun am Freitag in den Sattel. Die Originalbe­setzung wird es dann im nächsten Jahr wieder geben. Hitdorf Heinz Brinkschul­te hat kein Pferd mehr. Aber im Dorf wird er trotzdem immer der Sankt Martin bleiben. In Hitdorf zogen Generation­en von Kindern mit ihren Laternen hinter ihm her. 63 Mal saß Brinkschul­te als Sankt Martin auf dem Pferd. Bis vergangene­s Jahr. Die Grundschul­en wollen ihn nicht mehr als Sankt Martin, erzählt der agile Mann: Wahrschein­lich halten sie ihn für zu alt. Zuletzt stieg der heute 84-Jährige mit Hilfe eines Stuhls aufs Pferd, „aber nur weil, das mit dem Kostüm so schwer ist. Ansonsten geht das auch ohne.“Er muss das nicht beweisen. Die beiden Schulleite­rinnen der Grundschul­en im Dorf haben da wohl ihre Zweifel. „Die haben mich gefragt, ob ich denn überhaupt noch gesund genug sei“, erzählt Brinkschul­te. „Wahrschein­lich gesünder als Sie beide zusammen“, habe er geantworte­t. Die Schulen machen jetzt ihr eigenes Ding, ohne ihn. Das Martinskom­mitee im Dorf hat sich aufgelöst, angeblich nach Querelen mit den Schulen. Die Schulleite­rinnen wollen dazu nichts mehr sagen. Hückelhove­n Sie freut sich darauf, hoch zu Ross unterwegs zu sein. Auf die vielen Kinder, deren Augen mit den farbenpräc­htigen Laternen um die Wette leuchten werden. Und auf das traditione­lle Verteilen der Weckmänner, das genauso dazu gehört wie die Szene, in der St. Martin seinen Mantel mit dem armen Bettler teilt. Mit Denise Rattinger (22) wird es erstmals einen weiblichen St. Martin in der Region Heinsberg geben. „Ich kenne die Strecke gut, war selbst als Kind immer dabei“, sagt die 22-Jährige. Lampenfieb­er werde sie deshalb nicht haben. Sie tritt in die Fußstapfen ihres Vaters Frank Rattinger und ihres Opas Max Peter Tetz. Angefangen hatte alles 1971. Damals stand der Schaufenbe­rger Bürgervere­in plötzlich ohne St.-Martin-Darsteller da – und Max Peter Tetz übernahm die Rolle. Bis 1985 stand er in den Diensten des Bürgervere­ins. Als er sich die Hand brach, trat Frank Rattinger die Nachfolge seines Schwiegerv­aters an. Von 1986 bis 2016 war er im Einsatz. Jetzt übernimmt seine Tochter.

 ?? FOTO: LINDA HAMMER ?? Die Geschichte von St. Martin ist bis heute populär. Auch Lied und Laterne werden mit dem Heiligen verbunden.
FOTO: LINDA HAMMER Die Geschichte von St. Martin ist bis heute populär. Auch Lied und Laterne werden mit dem Heiligen verbunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany