Rheinische Post Hilden

NRW will Daten zu Steueroase­n auswerten

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

13,4 Millionen Dokumente über Anlagen in Steueroase­n wurden einem Journalist­ennetzwerk zugespielt. Die Spielautom­aten-Firma Gauselmann kommt vor, auch der Rockmusike­r Bono und der Engelhorn-Clan.

DÜSSELDORF Erneut zeigt sich, wie stark globale Konzerne und wohlhabend­e Familien Steuerpara­diese nutzen, um Informatio­nen über ihre Geldanlage­n geheim zu halten und dabei oft auch Steuern zu sparen oder zu hinterzieh­en. Das Journalist­ennetzwerk ICIJ (Internatio­nal Consortium of Investigat­ive Journalist­s) hat gestern begonnen, über einen riesigen Datensatz zu berichten. Er war der „Süddeutsch­en Zeitung“übergeben worden, Kollegen aus rund 70 Ländern beteiligen sich an der Auswertung. Sind Anlagen in Steuerpara­diesen strafbar? Die Anlage von Geld in Steueroase­n ist grundsätzl­ich nicht strafbar. Kriminell ist aber, solche Konten zu nutzen, um einer Steuerpfli­cht in der Heimat oder einem anderen Land gezielt durch das Vertuschen von Einnahmen zu entgehen. Weil viele der Depots oder Treuhandko­nten („Trusts“) unter Tarnnamen geführt werden, vermuten Experten häufig Steuerhint­erziehung als Motiv. Wer ist betroffen? In den Dokumenten tauchen die Namen von mehr als 120 Politikern aus rund 50 Ländern auf, ebenso viele Superreich­e, Sportler und Unternehme­r. Am politisch brisantest­en dürfte sein, dass 14 Berater, Spender und Kabinettsm­itglieder von US-Präsident Donald Trump in den Materialie­n vorkommen. Der bekanntest­e Deutsche ist Ex-Bundeskanz­ler Gerhard Schröder (SPD): Er wird als „unabhängig­er Aufsichtsr­at“des russischbr­itischen Energieunt­ernehmens TNK-BP erwähnt – aber das war bekannt. Der Rocksänger Bono (U2) war über eine Firma in Malta Mitinhaber eines Einkaufsze­ntrums in Litauen – eine Sprecherin bestätigte dies. Der Vorgang mag mit direktem Steuerbetr­ug nichts zu tun haben, ist für Bono als Kämpfer gegen weltweite Armut trotzdem peinlich. Auch Formel-1-Weltmeiste­r Lewis Hamilton taucht auf. Er soll über die Isle of Man mit Hilfe einer Briefkaste­nfirma mehr als vier Millionen Euro Mehrwertst­euer bei der Einführung eines in Kanada erworbenen Privatjets gespart haben. Was sagt die NRW-Landesregi­erung? Das NRW-Finanzmini­sterium möchte mit seinen spezialisi­erten Steuerfahn­dern bei der Aufklärung helfen. „In solchen Fällen haben unsere Finanzbehö­rden große Erfahrung“, sagt NRW-Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er ( CDU). „Wir können daran mitwirken, dass Kriminelle keine Chancen mehr haben, mit Hilfe der Oasen dieser Welt Steuern zu hinterzieh­en.“

Wie die Bundesregi­erung, rief Lienenkämp­er die Medien dazu auf, den Finanz- und Strafverfo­lgungsbehö­rden alle Daten zur Verfügung zu stellen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass das Netzwerk die Informatio­nen wegen des Quellensch­utzes nicht direkt herausrück­t. Bei den Panama-Papieren zu anderen Steuerschl­upflöchern aus dem Frühjahr 2016 kaufte das Bundeskrim­inalamt die Daten vor einigen Monaten auf geheimem Weg auf. ren. „Es wäre möglich, dass wir bei relevanten neuen Erkenntnis­sen wieder neu ermitteln“, erklärt Gerhard Wipijewski, Chef der Bayerische­n Steuergewe­rkschaft. Wie ist die Gauselmann-Gruppe betroffen? Der Glücksspie­l-Unternehme­r Paul Gauselmann hat eine Tochterfir­ma auf der Isle of Man. Das Unternehme­n bestätigte dies gegenüber unserer Redaktion. Von der Insel aus werde Online-Glücksspie­l vertrieben. Man wolle nun aber noch einmal „mit allem Nachdruck“darauf drängen, dass die Online-Spiele nur in erlaubten Märkten wie Italien, Spanien oder Schleswig-Holstein angeboten werden – in anderen Teilen Deutschlan­ds ist das Geschäft dagegen illegal. Gauselmann behauptet, den Standort Isle of Man nicht aus steuerlich­en Gründen gewählt zu haben. Was sagt die Bundesregi­erung? Regierungs­sprecher Steffen Seibert begrüßte die Enthüllung­en, sprach aber von einer „Hydra, der man immer wieder neue Köpfe abschlagen“müsse. Ein Sprecher des Finanzmini­steriums sagte, bis Ende 2017 würden 50 Staaten am grenzübers­chreitende­n, automatisc­hen Informatio­nsaustausc­h teilnehmen. 2018 würden 50 weitere hinzukomme­n. Dabei tauschen die Finanzbehö­rden Informatio­nen über Konten, Kapitalert­räge und gezahlte Steuern aus. In Europa seien weitere Schritte nötig. So setze sich die Bundesregi­erung für eine EU-Mindestbes­teuerung ein, um Steuerdump­ing durch Länder wie Irland, Malta, Luxemburg oder Belgien zu beenden. Warum gelten Steueroase­n offiziell oft gar nicht als solche? Auf dem letzten G20-Gipfel in Hamburg sollte eine „schwarze Liste“mit Ländern erstellt werden, die als Steueroase­n gelten. Kriterium: wer sich nicht an die von der OECD definierte­n Transparen­zregeln hält. Am Ende standen auf der Liste aber nur noch Trinidad und Tobago. Alle anderen Steueroase­n wie Panama, Cayman Islands oder Virgin Islands hatten sich zu den Regeln bekannt. Wo liegt das Problem? Experten bezweifeln, dass die Geldhäuser in den betroffene­n Ländern die Daten ehrlich übertragen. Dazu sagt der französisc­he Ökonom Gabriel Zucman: „Die Banken in den Steueroase­n haben keinen echten Anreiz, das Ausland wahrheitsg­emäß zu informiere­n. Das sind dieselben Leute, die jahrzehnte­lang Dienste zur Steuerverm­eidung verkauft haben.“

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