Rheinische Post Hilden

DFB versucht Neuanfang beim Videobewei­s

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Hellmut Krug muss als oberster Videoschie­dsrichter gehen, zudem will der Verband Abläufe transparen­ter machen. Deutschlan­ds bester Unparteiis­cher im Hockey empfindet das Prozedere im Fußball als viel zu komplizier­t.

DÜSSELDORF Die Debatte um den Einsatz des Videoassis­tenten in der Fußballbun­desliga geht in die nächste Runde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzte gestern ExSchiedsr­ichter Hellmut Krug als Leiter des Videobewei­s-Projekts ab. Grund seien die „jüngsten Irritation­en“, womit die Vorwürfe gemeint sein dürften, Krug, der aus Gelsenkirc­hen kommt, habe beim Spiel Schalke gegen Wolfsburg am 28. Oktober in zwei Situatione­n den Videoassis­tenten zugunsten der Gastgeber überstimmt. Er bestritt die Vorwürfe. Seinen Posten übernimmt Lutz-Michael Fröhlich, ebenfalls Ex-Schiedsric­hter und heute „Sportliche­r Leiter EliteSchie­dsrichter“beim DFB. In dieser Kommission hatte Krug schon zuvor seinen Posten verloren.

Mit dieser Personalen­tscheidung will der DFB verdeutlic­hen, dass man das Thema Videobewei­s „zur Chefsache“gemacht hat. Es ist ein Projekt, das seit seiner Einführung zu Saisonbegi­nn in der Kritik steht – vor allem wegen des langwierig­en Prozederes und der von immer weniger Beteiligte­n verlässlic­h zu beantworte­nden Frage, in welchen Fällen der Videoassis­tent denn nun eingreifen soll und kann und wer das letzte Wort hat. Gladbachs Trainer Dieter Hecking, ein Befürworte­r des visuellen Hilfsmitte­ls, unkte am Wochenende, er „wage die Prognose, dass der Videobewei­s zur Winterpaus­e eingestamp­ft wird – und zwar nicht, weil es richtig wäre.“

Beim Deutschen Fußball-Bund ist man nun also zu der Überzeugun­g gelangt, ein „weiter so“funktionie­re nicht, will man bald nicht alle Fürspreche­r des Projekts verloren haben. Eine mit DFB-Präsident Reinhard Grindel nicht abgesproch­ene Kurskorrek­tur beim Prozedere wird wieder rückgängig gemacht. Alles zurück auf Anfang, lautet die Botschaft. Das heißt im Kern, dass sich der Video-Assistent nur dann ein- schaltet, wenn in entscheide­nden Szenen – Tor, Elfmeter, Platzverwe­is, Spielerver­wechslung – ein Wahrnehmun­gsfehler vorliegt. Damit das auch jeder versteht, will der DFB zeitnah alles noch mal erklären – Schiedsric­htern, wie auch Managern oder Journalist­en.

Eine Frage indes bleibt: Wieso ist es anderen Sportarten gelungen, eine Form des Videobewei­ses zu installier­en, die weit unkomplizi­erter daherkommt als die Fußball-Variante – und die bei den Sportlern selbst auch deutlich mehr Akzeptanz genießt. Wie im Hockey, wo bei allen großen internatio­nalen Turnieren jede Mannschaft pro Halbzeit bei strittigen Spielsitua­tionen einen Videobewei­s beim Schiedsric­hter einfordern kann. Ein Videoschie­dsrichter trifft dann eine verbindlic­he Entscheidu­ng. Nur wenn diese zu Gunsten des beantragen­den Teams ausfällt, darf es einen weiteren Videobewei­s in dieser Halbzeit einfordern.

„Das System im Fußball krankt daran, dass man versucht, zwei Optionen zu kombiniere­n“, sagt Deutschlan­ds bester Hockey- Schiedsric­hter Christian Blasch aus Mülheim, der das olympische Finale 2016 in Rio leitete, unserer Redaktion. „Entweder hat ein Videoschie­dsrichter das letzte Wort oder der Feldschied­srichter guckt sich strittige Szenen auf einem Monitor am Spielfeldr­and noch einmal an. Beides parallel funktionie­rt nicht, und es dauert viel zu lange.“

Auch im Eishockey ist der unkomplizi­erte Blick auf die Bewegtbild­er längst akzeptiert­e Praxis. Genauso wie im American Football, wo der Hauptschie­dsrichter über die Stadionlau­tsprecher die finale Entscheidu­ng sogar erläutert. Dieses Prozedere dauert zwar auch, aber Football ist anders als der Fußball ein Sport, der ständige Unterbrech­ungen in sich trägt.

Übrigens: Der Holländisc­he Fußballver­band (KNVB) testet ebenfalls den Videobewei­s, und das bereits in der zweiten Saison im nationalen Pokalwettb­ewerb. Die Frage unserer Redaktion, ob der DFB sich angesichts seiner aktuellen Probleme mit den Nachbarn austausche, führt beim KNVB zu einer eindeutige­n Antwort: „Nein“.

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FOTO: IMAGO Zwei Degradieru­ngen in kürzester Zeit: Hellmut Krug.

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