Wann rufe ich an?

Seit es Smartphones gibt, Mails und alle möglichen Nachrichtendienste, ist eigentlich ja jeder immer erreichbar. Umso schwieriger scheint das gute alte Telefonieren geworden zu sein. Kann ich dich anrufen, fragte neulich eine gute Freundin per SMS. Ja klar, habe ich geantwortet. Und mich gefragt, ob es eigentlich inzwischen als unhöflich gilt, einfach jemandes Nummer zu wählen.

Weil kaum noch jemand auf dem Festnetz telefoniert – und selbst das kann ja auf ein Handy umgeleitet sein –, ist es natürlich wahrscheinlicher geworden, den anderen im Meeting, an der Supermarktkasse oder am Steuer seines Autos zu erwischen. Trotzdem: Sie dürfen jemanden anrufen, sonst wäre diese Funktion in modernen Telefonen ja nicht mehr vorhanden. Im Meeting sollte das Telefon ohnehin mindestens lautlos gestellt sein, im Supermarkt kann der Angerufene je nach Situation selbst entscheiden, ob er das Gespräch annimmt, und im Auto besitzt er hoffentlich eine Freisprechanlage – oder lässt es klingeln. Will sagen: Wer nicht gerade zu völlig unverschämter Stunde die Nummer des Gesprächspartners wählt, muss und darf sich getrost auf Stilsicherheit und Vernunft des anderen verlassen.

Was die angemessene Uhrzeit für einen Anruf ist, liegt freilich im Auge des Betrachters. Früher rieten Benimmratgeber, nicht während der Tagesschau anzurufen – die ist inzwischen indes für viel weniger Menschen als damals eine Institution. Vermeiden sie also zu frühe Anrufe (falls der andere etwa einen freien Tag zum Ausschlafen nutzt) oder zu späte – wer sich aufs Schlafengehen einstellt, möchte vielleicht nicht mehr gestört werden.

Rufen Sie mit einem geschäftlichen Anliegen in einem Privathaushalt an (etwa bei Ihrem Vermieter), dann halten Sie es mit den Zeiten noch etwas strenger. Mit engeren Freunden hat man meist ohnehin eine Vereinbarung, wann und wie Anrufe okay sind. Die wissen, dass sie während des Sonntagabend-Krimis einen guten Grund brauchen.