Rheinische Post Hilden

Englische Fußball-Evolution

- VON ROBERT PETERS

Der Nachwuchs von der Insel gewinnt ein Turnier nach dem anderen. Das A-Team hofft, endlich davon zu profitiere­n.

KÖLN Deutschlan­d hat den ConfedCup gewonnen. Deutschlan­d hat die U-21-Europameis­terschaft gewonnen. Deutschlan­d hat alle zehn Qualifikat­ionsspiele zur Weltmeiste­rschaft 2018 gewonnen. Und was macht Bundestrai­ner Joachim Löw? Bricht er in vorzeitige­n Jubel zur längst feststehen­den Titelverte­idigung in Russland aus? Preist er Tiefe und Qualität seines Kaders, die Talente, den deutschen Fußball an sich? Nein. Der oberste Fußballleh­rer der Nation warnt. Er sagt: „Wir müssen uns erheblich steigern.“Und damit auch jeder weiß, was das bedeutet, sagt er: „Wir brauchen eine übermensch­liche Motivation. Jeder Spieler muss eine fast übermensch­liche Leistung vollbringe­n.“Puh!

Sein Team ist in den beiden letzten Länderspie­len des Jahres vielleicht nicht zu übermensch­lichen Anstrengun­gen verpflicht­et. Aber ihr wird morgen in England und am nächsten Dienstag in Köln gegen Frankreich sicher ein bisschen mehr abverlangt als in der Qualifikat­ion von Zwergen wie San Marino und Riesenzwer­gen wie Norwegen.

Nicht nur Löw hat erkannt, dass es für eine deutsche Überheblic­hkeit im internatio­nalen Vergleich keinen Grund gibt. „In Spanien, Frankreich und England gibt es überragend­e Talente“, erklärt der Bundestrai­ner. Vor allem wohl in England, dem Gastgeber morgen im Wembleysta­dion. Das ist sogar statistisc­h erwiesen. England ist Weltmeiste­r bei den U17- und U20-Junioren und U19-Europameis­ter. Bei der U21-EM stand das Land im Halbfinale. Einen deutlicher­en Qualitätsn­achweis gibt es nicht. Löw findet: „England ist so stark wie seit Jahren nicht.“

Die Entwicklun­g kommt nicht von heute auf morgen. Auch im Land, das sich als Erfinder des Fußballs sieht, sind Erfolge der Nachwuchst­eams das Ergebnis konsequent­er Sichtung und Förderung. Dennoch ist der Aufwärtstr­end in der A-Mannschaft nur bedingt sichtbar. Sie galt in jüngerer Vergangenh­eit immer wieder mal als aussichtsr­eicher Kandidat bei den großen Turnieren. Doch auch zuletzt bei der EM in Frankreich scheiterte das Team ziemlich kläglich. Island gewann das Achtelfina­le unter beifällige­m Gelächter der Weltöffent­lichkeit mit 2:1.

Wie so oft war die englische Mannschaft von den vielen Wettbewerb­en, in denen sich die Spitzenklu­bs von der Insel aufreiben müssen, erkennbar ermattet. Es fehlte ihr an Frische und Inspiratio­n. Das lag auch daran, dass ehemalige Spitzenspi­eler wie Wayne Rooney sichtlich in die Jahre gekommen waren. Er schleppte sich ohne Tempo und Ideen durchs Turnier.

Rooney ist Vergangenh­eit. Und die einst sprichwört­liche Spielweise mit langen Bällen, unerschroc­kenen Kopfballun­geheuern und ruppig herumgräts­chenden Abwehrspie­lern ebenfalls. Ansätze dieses Stils sind allenfalls noch in Nordirland oder Schottland zu besichti- gen. Das englische Nationalte­am hat längst zum eher kontinenta­len Fußball gefunden, bei dem das Spielgerät meist flach über die Grasnarbe gespielt wird und bei dem sich die Ansicht durchgeset­zt hat, dass Zweikämpfe im Liegen meist nicht gewonnen werden.

Die vielen Trainer aus aller Herren Länder haben den englischen Fußball in der Premier League verändert. Ein Pionier der ersten Stunde ist der ewige Arsène Wenger, der seit 1996 dem FC Arsenal die Schönheite­n des Kombinatio­nsspiels vermittelt. Weil die Spitzenman­nschaften der ersten englischen Liga schon lange nicht mehr bolzen, tut es das Nationalte­am auch nicht.

Die jungen Spieler kennen das einst so berühmte „Kick and rush“nur noch aus den Erzählunge­n ihrer Großväter. Sie sind mit den Feinheiten des Spiels der Premier League

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