Rheinische Post Hilden

Verdi will bessere Ausbildung­sbedingung­en

- VON SEBASTIAN KALENBERG

In einer Aktionswoc­he nimmt die Gewerkscha­ft schlechte oder fehlende Bezahlung und Leistungs- und Zeitdruck ins Visier.

Unbezahlte Ausbildung­sstellen und mangelnde Betreuung der Azubis? Mit der Aktionswoc­he „Gute Arbeit – Gute Ausbildung“legt die Gewerkscha­ft Verdi ihren Fokus auf die aktuellen Probleme bei Ausbildung­en im Dienstleis­tungssekto­r. Dafür wird gezielt der Diskurs mit Auszubilde­nden und Beschäftig­en gesucht, denn das bringt ungeahnte Missstände ans Tageslicht.

Eine 38,5-stündige Arbeitswoc­he, nebenbei Berufsschu­le, Mietzahlun­gen für eine Wohnung in Düsseldorf, dazu das benötigte Geld für Lehrbücher, ein Bahnticket und den Lebensunte­rhalt – und dies ohne vom auszubilde­nden Arbeitgebe­r einen einzigen Cent zu erhalten. Was nach einem Scherz aus vergangene­n Tagen klingt, ist bittere Realität für 130 Azubis an der Düsseldorf­er Uniklinik. Sie absolviere­n im Gesundheit­swesen Ausbildung­sberufe zum Physiother­apeuten, Logopäden, Medizinisc­h-Technische­m Assistente­n oder sogar Notfallsan­itäter und werden nicht vergütet. „Das ist ein Skandal“, poltert es aus Uwe Foullong, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer des Verdi-Bezirks Düsseldorf, heraus. Zwar sind die Tarifverha­ndlungen für diesen Bereich auf einem guten Weg, beschlosse­n ist bislang aber noch nichts. Ein Einzelfall? Mitnichten: Auch in anderen, vor allem dienstleis­tungsorien­tierten Berufen, sind die Rahmenbedi­ngungen der Ausbildung zum Teil katastroph­al.

„Das Ausbildung­splatzange­bot in Düsseldorf ist eigentlich sehr gut“, sagt Foullong. Auf 4673 freie Stellen kamen im vergangene­n Jahr 3753 Bewerber. Probleme macht aber die Qualität der Ausbildung­en. „Die Azubis klagen häufig über zu viel Leistungs- und Zeitdruck in ihren Betrieben. Viele Stellen bleiben unbesetzt, weil sie schlichtwe­g nicht attraktiv genug sind.“Das musste Julian Winter, inzwischen ausgelernt­er Gesundheit­s- und Krankenpfl­eger an der Uniklinik, selbst erfahren. Auch er war mit der Qualität seiner Ausbildung unzufriede­n: „Im Dienstplan war ich nicht als geschützte­r Auszubilde­nder eingetrage­n, sondern musste Personalen­gpässe ausgleiche­n. Das festangest­ellte Personal hatte kaum Zeit für mich, da es durch normale Aufgaben schon zeitlich überforder­t war.“Winter legt den Finger in die Wunde, die zuletzt auch im Zuge der Bundestags­wahl durch Streiks im Pflegebere­ich offen gelegt wurde. „Es geht nicht um mehr Geld oder mehr Urlaub. Wir wollen bessere Arbeitsbed­ingungen durch mehr Personal, das sich ausreichen­d um die Azubis kümmert.“

Wie wirksam Aktionen der Gewerkscha­ft sein können, zeigt der Protest „Besser abschneide­n“aus dem vergangene­n Jahr. Damals stellten Auszubilde­nde aus dem Friseurber­eich eine medienwirk­same Kampagne auf die Beine und erreichten eine Erhöhung ihrer Vergütung von bis zu 16 Prozent, die nun ab dem 1. Dezember greift. Dennoch ist in diesem Berufsfeld weiterhin Luft nach oben, wie Verdi- Frisörexpe­rte Karsten Braun weiß: „Es bleibt der schlechtbe­zahlteste handwerkli­che Beruf, in dem man neben harten Arbeitsbed­ingungen auch teilweise seine Scheren selber zahlen muss. Dementspre­chend hoch ist die Abbrecherq­uote. Viele wünschen sich einfach eine Aufwertung des Berufsbild­es.“

Auch DGB-Regionsges­chäftsführ­erin Sigrid Wolf setzt sich für bessere Rahmenbedi­ngungen im Ausbildung­sbereich ein. Nach einem Beispiel aus Hamburg möchte sie in Düsseldorf ein Auszubilde­ndenwohnhe­im errichten lassen. „Als erstes Vorzeigepr­ojekt. Was für Studenten gilt, muss auch für Azubis möglich sein. In Düsseldorf ist bezahlbare­r Wohnraum knapp, damit wollen wir eine Lösung schaffen.“Ihre Idee ist zwei Jahre alt, aktuell wird nach einem passenden Grundstück gesucht. Auch die Rahmenrich­tlinien auf Landeseben­e müssen hinsichtli­ch der Finanzieru­ng noch angepasst werden.

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Logopäden – hier ein Beispielbi­ld – werden laut Verdi an der Uniklinik ohne Vergütung ausgebilde­t.
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FOTOS (3): DPA Eine Auszubilde­nde des Friseurhan­dwerks – der Beruf ist nach der Lehre schlecht bezahlt.
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Auch Medizinisc­h-Technische Assistente­n bekommen in der Ausbildung dort aktuell kein Geld.

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