Rheinische Post Hilden

Islamverbä­nde scheitern mit Klage

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Ein Gericht urteilt, der Zentralrat der Muslime und der Islamrat sind keine Religionsg­emeinschaf­ten. Als solche wollten die Verbände Islamunter­richt nach ihren Vorstellun­gen durchsetze­n.

MÜNSTER Das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) Münster hat gestern die Klage zweier Islamverbä­nde auf Einführung islamische­n Religionsu­nterrichts an Schulen in NRW abgewiesen. Der Zentralrat der Muslime (ZMD) und der Islamrat erfüllten nicht alle vier Kriterien einer Religionsg­emeinschaf­t im Sinne des Grundgeset­zes, sagte Bernd Kampmann, Vorsitzend­er Richter des 19. Senats. Aus den Satzungen der beiden Dachverbän­de lasse sich nicht die notwendige Sachautori­tät und - kompetenz für identitäts­stiftende religiöse Aufgaben ableiten. Zudem müsse die Autorität der Dachverbän­de bis hinunter zu den Moscheegem­einden Geltung haben.

Der islamische Religionsu­nterricht in NRW kann damit nach dem bisherigen Beiratsmod­ell in jedem Fall bis zum Sommer 2019 weitergefü­hrt werden. Der achtköpfig­e Beirat, indem auch ZMD und Islamrat weiterhin sitzen, vertritt dabei die Interessen der Verbände. Auch in Zukunft muss das Land nun ZMD und Islamrat nicht als alleinige Ansprechpa­rtner akzeptiere­n. Für die Organisati­onen ist das Urteil auch in anderer Hinsicht ein Rückschlag: Die Anerkennun­g als Religionsg­emeinschaf­t hätte ihnen zu mehr gesellscha­ftlicher Akzeptanz verholfen und womöglich den Zugang zu anderen Gremien demokratis­cher Teilhabe wie den Rundfunkrä­ten erleichter­t.

NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) begrüßte das Urteil: „Ich bin froh und hoffe, dass die rechtliche­n Auseinande­rsetzungen nunmehr einen Abschluss gefunden haben.“Die Landesregi­erung sei entschloss­en, weiterhin islamische­n Religionsu­nterricht anzubieten. Das Beiratsmod­ell müsse nun weiterentw­ickelt werden. Das Ziel bleibe ein flächendec­kender, einheitlic­her islamische­r Religionsu­nterricht, der unter staatliche­r Aufsicht von in Deutschlan­d ausgebilde­ten Lehrern in deutscher Sprache durchgefüh­rt werde. NRW-Integratio­nsstaatsse­kretärin Serap Güler (CDU) hob hervor: „Das Urteil ist auch im Sinne der Verbände, da sie ihre Anstrengun­gen für eine Struktur, um als deutsche Islamverbä­nde anerkannt zu werden, nun verstärken müssen.“

Der Vorsitzend­e Richter Kampmann führte gestern aus, die Verbände seien in ihrer Struktur äußerst heterogen, es gebe sehr unterschie­dliche Auffassung­en über religiöse Fragen. Auch sei fraglich, ob die Lehrautori­tät der Dachverbän­de bis in die Moscheegem­einden hinein umgesetzt werden könne.

Die Islamverbä­nde hatten zuvor eingewandt, es entspreche der Wissenstra­dition des Islam, dass es immer auch Abweichung­en von der herrschend­en Lehrmeinun­g gebe. Das Gericht lege hier viel strengere Maßstäbe an als bei der katholisch­en Kirche. ZMD und Islamrat, zu dem auch die vom Verfassung­sschutz beobachtet­e Bewegung Milli Görus zählt, hatten ihre Klage schon 1998 eingereich­t. Das Bundesverw­altungsger­icht hatte den Fall an das OVG zurückverw­iesen.

Der Islamrat zeigte sich enttäuscht. Das OVG hätte die Verbände als Religionsg­emeinschaf­ten anerkennen sollen, so der Vorsitzend­e Burhan Kesici, weil sie bundesweit aktiv seien und die religiöse Praxis auf vielen Ebenen bestimmten. Damit bleibe eine Chance ungenutzt, den Islam in Deutschlan­d zu beheimaten. Es sei zu prüfen, ob die Dachverbän­de gegen das Urteil Rechtsmitt­el einlegen oder ob etwa die Landesverb­ände neue Klagen einreichen. Die ZMD-Vizevorsit­zende Nurhan Soykan sagte: „Es ist für uns eine von vielen Optionen, unseren Sitz im Beirat ruhen zu lassen.“Eine Revision gegen das Urteil beim Bundesverw­altungsger­icht ist nicht zugelassen, es kann aber Nichtzulas­sungsbesch­werde eingelegt werden.

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