Rheinische Post Hilden

Nach fünf Tagen aus Felsspalte gerettet

- VON TIM HARPERS, JAN LUHRENBERG UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Ein 45-jähriger Duisburger ist in den österreich­ischen Nordalpen in eine 20 Meter tiefe Spalte gestürzt. Fünf Tage harrte er dort aus. Erst dann kam die ersehnte Rettung, bei der auch die Duisburger Polizei eine entscheide­nde Rolle spielte.

GOSLAU/DUISBURG Es ist der 3. November, als Henning K. (45) aus dem Urlaub seinem Vater in Duisburg per SMS mitteilt, dass er am nächsten Tag zu einer Wandertour im österreich­ischen Dachsteing­ebirge aufbrechen werde. Als sein Vater nach zwei Tagen nichts mehr von seinem Sohn hört, befürchtet er das Schlimmste und gibt bei der Duisburger Polizei eine Vermissten­anzeige auf. „Wir haben daraufhin sofort unsere Kollegen in Österreich informiert“, sagt eine Sprecherin der Duisburger Polizei. Die Bergrettun­g macht sich daraufhin umgehend auf die Suche nach Henning K. – und befreit ihn gestern Morgen nach fünf Tagen aus einer etwa 20 Meter tiefen Felsspalte, in die der Duisburger gestürzt war.

„Dass wir ihn retten konnten, ist nur einer Verkettung vieler glückliche­r Umstände zu verdanken“, sagt Michael Gruber, Mitglied der Bergrettun­g. „Auch wenn man das Wort Wunder nicht leichtfert­ig in den Mund nehmen sollte, seine Rettung grenzt schon an ein solches.“Als die Rettungskr­äfte ihn aus der Spalte ziehen, geht es K. den Umständen entspreche­nd gut. „Er hat wohl keine besonders schweren Verletzung­en erlitten. Die Schulter und das Sprunggele­nk haben etwas abbekommen; möglicherw­eise hat er leichte Brüche“, sagt Gruber.

Im Krankenhau­s wird K. rund eineinhalb Stunden lang operiert. „Sein Glück war, dass er sich in diesem geschützte­n Loch befand. Er dürfte sich auch bewegt haben und nach einem Ausweg gesucht haben“, sagt der zuständige Arzt Günter Huemer. „Entscheide­nd ist der Flüssigkei­tshaushalt. Er hat da unten offenbar etwas zu trinken gehabt. Ohne Nahrung kann man eine Woche durchhalte­n.“In der Spalte war es etwa fünf bis sechs Grad kalt, draußen lagen die Temperatur­en bei minus vier Grad.

Die Umstände der Rettung sind dramatisch. Die Unglücksst­elle liegt in rund 2050 Meter Höhe unterhalb der Adamekhütt­e am Dachsteing­letscher. Ein extrem unwegsames Gelände, wo in den vergangene­n Tagen viel Neuschnee gefallen ist. Nach dem Sturz versucht K. vergeblich, mit seinem Handy einen Notruf abzugeben. Das Netz ist zu schwach. Er versucht es immer wieder. Zwischenze­itlich schaltet er das Gerät aus, um den Akku zu schonen. Am Mittwochab­end gelingt es ihm erstmals, einen erfolgreic­hen Notruf abzugeben. „Der ging mit einer Zeit von nur Null Sekunden um 21 Uhr bei uns ein“, sagt Alpinpoliz­ist Bernhard Magritzer. Um 23 Uhr empfängt die Leitstelle weitere Notrufe mit einer Dauer von jeweils ein bis zwei Sekunden, auf denen man K. atmen hören kann. Darüber hinaus teilt er per SMS seine GPS-Koordinate­n mit. „Ohne diese Nachricht wäre es nahezu unmöglich gewesen, ihn überhaupt zu finden“, sagt Gruber.

Ein 20-köpfiges Team aus Bergretter­n und einem Sonderteam der alpinen Einsatzgru­ppe macht sich auf die Suche – zunächst zu Fuß, dann wegen des Neuschnees auf Skiern. Die Rettung gestaltet sich als schwierig und gefährlich, weil wegen des vielen Schnees Lawinengef­ahr besteht. Sein tief verschneit­es Auto finden sie auf einem Parkplatz am Aufstieg zum Gletscher. Am Unglücksor­t seilt sich zuerst ein Sanitäter zu ihm ab. Der 45-Jährige ist ansprechba­r und wird aus seiner misslichen Lage befreit. „Seine Bergung hat knapp eineinhalb Stunden gedauert“, sagt Gruber. Der Duisburger wird mit einem Hubschraub­er in ein Krankenhau­s geflogen. Trotz der dramatisch­en Umstände sei es ein Routineein­satz gewesen, den die Bergrettun­g oft trainiere, sagen die Beteiligte­n. Auf einen Abstieg mit dem Verletzten ins Tal verzichtet man – zu gefährlich. „Der größte Dank gehört aber der Duisburger Kommissari­n, die die Vermissten­meldung schnell an uns weitergege­ben hat. Ohne ihr schnelles Handeln wäre die Sache wohl nicht so glücklich ausgegange­n“, sagt Michael Gruber. K. soll selbst nicht mehr mit seiner Rettung gerechnet haben. „Der Sanitäter, der zuerst bei ihm war, hat berichtet, dass K. vor Freude Tränen in den Augen gehabt habe, als man ihn fand“, so Gruber. Die Ärzte meinen, er hätte auch nicht mehr viel länger durchhalte­n können.

Seine Familie ist auf dem Weg zu ihm. Die Stadt Duisburg bestätigt am Abend unserer Redaktion, dass der Gerettete Mitarbeite­r der Stadt sei. Oberbürger­meister Sören Link (SPD) sagt: „Es ist eine sehr bewegende Geschichte, die zum Glück ein gutes Ende genommen hat. Mein Dank gilt den Rettern. Ich hoffe, dass der Mann schnell wieder auf die Beine und gesund und munter zurück nach Duisburg kommt.“

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In diesen rund 20 Meter tiefen Spalt war der Duisburger gestürzt.

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