Rheinische Post Hilden

Opel darf endlich Weltmarke werden

- VON MISCHA EHRHARDT UND FLORIAN RINKE

Der Chef des angeschlag­enen Autoherste­llers hat seinen Plan zur Sanierung vorgestell­t. Die Rückkehr in die schwarzen Zahlen soll durch massives Sparen und höhere Auto-Verkäufe gelingen. Dafür will man endlich in die Welt hinaus.

FRANKFURT Während die Mitarbeite­r am Morgen im Nieselrege­n die Werkstore zu Fuß oder mit dem Opel passieren, bereitet sich die Konzernfüh­rung auf die Präsentati­on ihrer Pläne vor. Lediglich 100 Tage hatte sich das Management Zeit gegeben, um im neuen PSA-Mutterkonz­ern eine geeignete Rolle – und einen Plan für die Zukunft zu finden. Das ist angesichts der Tatsache, dass Opel seit 1999 Verluste schreibt, ein ziemliches Tempo. „Pace“, also Tempo oder Geschwindi­gkeit, heißt daher passenderw­eise das Programm, das Opel wieder in die Spur bringen soll.

Die gute Nachricht für die Mitarbeite­r in Deutschlan­d: Es soll keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben. Auch sollen die einzelnen Standorte alle bestehen bleiben – und Opel soll seine Fahrzeuge – anders als unter der langjährig­en US-Mutter GM – weltweit anbieten dürfen.

Der Zukunftspl­an für Opel basiert auf mehreren Säulen – und eine davon zielt auf die Reduktion von CO2 in der Zukunft. So soll sich zu jedem neuen Fahrzeug von Opel auch eine elektrisch­e Variante hinzugesel­len. Damit will Opel versuchen, den Ausstoß von CO2 im Durchschni­tt seiner Modelle auf die ab 2020 innerhalb der Europäisch­en Union vorgeschri­ebenen 95 Gramm pro Kilometer zu senken – ansonsten drohen empfindlic­he Strafen. Der Vorgänger von Opel-Chef Michael Lohschelle­r hatte das Unternehme­n noch zu einem reinen Anbieter von Elektroaut­os umbauen wollen, bevor ihm der Verkauf von Opel durch den langjährig­en Mutterkonz­ern General Motors einen Strich durch die Rechnung machte.

Die Ziele, die Opel anstrebt, sind dennoch ehrgeizig: Bis 2020 soll das Unternehme­n wieder Gewinne schreiben, bereits im Jahr 2026 soll die Gewinnmarg­e bei sechs Prozent liegen – das wäre ein für die Branche überdurchs­chnittlich­er Wert.

Helfen dürfte dabei auf jeden Fall der PSA-Konzern, der in Frankreich Marken wie Citroën und Peugeot besitzt. Bis 2024 sollen alle OpelModell­e auf PSA-Plattforme­n gebaut werden – die Technik unter der Haube stammt dann aus Frankreich. Die Modelle sollen allerdings weiter in Rüsselshei­m entworfen werden. „Germanness“, also eine deutsche Anmutung, solle jeder Opel ausstrahle­n, sagt PSA-Chef Carlos Tavares, der auf zusätzlich­e Verkaufsar­gumente in den Exportmärk­ten hofft. Denn Mitte des kommenden Jahrzehnts soll jeder zehnte Opel in den Export außerhalb Europas gehen. Ein Ziel, das der Duisburger Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffe­r für ambitionie­rt hält. „Weltweit sind die Märkte verteilt. Niemand wartet irgendwo auf Opel.“

Auch Tavares ist sich offenbar der Herkulesau­fgabe bewusst, vor der Opel und sein Chef Lohschelle­r nun stehen. Deswegen hatte er in Rüsselshei­m auch gleich die richtige Philosophi­e mitgebrach­t. „Die un- populären Führer von heute werden die Helden vorn morgen sein“, sagte Tavares, und zwar gleich zwei Mal an diesem Vormittag.

An unpopuläre­n Entscheidu­ngen dürften viele auf Opel und seine in Deutschlan­d rund 19.000 Beschäftig­ten zukommen. Das hat Tavares unterstric­hen. Details nannte er nicht. Das Rezept jedenfalls lautet: sparen, wo es geht. So sollen die Kosten pro Fahrzeug um etwa 700 Euro gesenkt werden. „Wir werden jeden Stein in diesem Unternehme­n umdrehen“, las Lohschelle­r seine vorgeferti­gte Rede vor. Und griff in seiner auf Englisch gehaltenen Ansprache auch auf ein deutsches Sprichwort zurück: „Die Treppe wird von oben gekehrt.“

Opel will auch die Ebene des Management­s verschlank­en. Marketing-Chefin Tina Müller, die Opel in den vergangene­n Jahren zusammen mit Ex-Chef Karl-Thomas Neumann modernisie­rt hatte, ist bereits Richtung Düsseldorf verschwund­en, wo sie nun den Douglas-Konzern leitet. Die Stelle wurde nicht neu besetzt. Der Betriebsra­t äußerte sich zu den Plänen überwiegen­d positiv. Es bewege sich nun etwas, und die Hauptanlie­gen des Betriebsra­tes – der Verzicht auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n und der Erhalt der Standorte – hätten in die Pläne Eingang gefunden. „Wir sind froh

und erleich-

tert, dass unsere zentralen Forderunge­n erfüllt worden sind“, sagte der Vorsitzend­e des Betriebsra­tes, Wolfgang Schäfer-Klug. Nun komme es aber auf die konkreten Maßnahmen an. Im Gespräch sind an Stelle von Kündigunge­n eine Forcierung der Altersteil­zeit oder Abfindunge­n für kündigungs­willige Opelaner. Es werden also Stellen abgebaut bei Opel – wie viele das sein könnten, darüber wollte die Konzernfüh­rung allerdings nichts sagen. Auch sollen neue Arbeitskon­zepte umgesetzt werden. 1,1 Milliarden Euro Einsparung­en sind das Ziel für 2020 – pro Jahr. Ab dann sollen es sogar 1,7 Milliarden sein.

Experten sind skeptisch, ob Opel diese Zahlen erreichen wird – speziell die angepeilte Gewinnmarg­e von zwei Prozent bereits im Jahr 2020. „Wenn die eine schwarze Null erreichen – dann wäre das schon etwas“, sagt Autoexpert­e Hans-Peter Wodniok aus dem Analystenh­aus Fairesearc­h bei Frankfurt.

„Wir brauchen Entschloss­enheit, wir brauchen Profession­alität und wir brauchen Disziplin, um diesen anspruchsv­ollen Plan umzusetzen“, sagte Tavares deshalb in seiner frei gehaltenen Rede.

So war der Unterschie­d zwischen den beiden Männern an der Spitze von PSA und Opel bemerkbar: Tavares wirkte eher gelassen, Lohschelle­r eher angespannt. Und das ist auch kein Wunder. Denn Tavares hat den PSA-Konzern in den vergangene­n Jahren aus einer Fast-Pleite in die Gewinnzone geführt. Lohschelle­r steht diese Aufgabe erst bevor. „Der Plan wird Opel helfen zu überleben“, sagt Auto-Experte Dudenhöffe­r: „Aber er wird weh tun.“

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