Rheinische Post Hilden

Im falschen Fach

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Das Semester hat gerade erst begonnen – doch anstatt nun wissensdur­stig von einer Veranstalt­ung zur anderen zu gehen, hadern einige Studenten schon mit ihrer Entscheidu­ng. Wir geben Tipps für alle, die sich an der Uni falsch fühlen.

DÜSSELDORF Nun hatte man sich für ein Studienfac­h entschiede­n, eine Hochschule ausgewählt, ein Zimmer gefunden und seine Sachen bei den Eltern ausgeräumt – nur um nach ein paar Wochen an der Uni festzustel­len, dass es irgendwie nicht läuft. „Viele Studienanf­änger fühlen sich an der Uni in den ersten Wochen nicht wohl“, hat die Düsseldorf­er Studienber­aterin Karin Wilcke beobachtet. „Bevor man das Studium aber jetzt gleich als gescheiter­t abbricht, sollte man dem Ganzen eine Chance geben.“

Denn in manchen Fällen hat das Unwohlsein gar nichts mit dem Fach zu tun: „Die Erstsemest­er sind heute sehr jung, viele fühlen sich fremd und verloren, weil sie niemanden kennen und plötzlich sehr viel selbst organisier­en müssen“, sagt Karin Wilcke. In solchen Fällen helfe es, aktiv Kontakte zu suchen: Angebote der Fachschaft­en anzunehmen, Tutorien zu besuchen. „Wenn ich mich an der Uni nicht heimisch fühle, dann vermeide ich es, überhaupt hinzugehen.“

Ein anderes Problem: Man sitzt im Hörsaal und versteht nichts. „Da muss man genau analysiere­n, woran es liegt“, sagt Studienber­aterin Wilcke. „Fehlen mir Grundlagen? Dafür gibt es Brückenkur­se und Tutorien, gerade in Mathe und den Naturwisse­nschaften.“Wer ein „Lernfach“wie Jura oder Medizin studiere, müsse sich zunächst darüber klar werden, dass man vom ersten Tag an sehr viel pauken müsse, so Wilcke. „Wenn ich da merke, dass ich nicht mehr hinterher komme, helfen Seminare zum richtigen Lernen, wie sie viele Hochschule­n anbieten.“

Viele Studenten sind gerade in den ersten Wochen auch deshalb verunsiche­rt, weil sie sich unter dem gewählten Fach etwas anderes vorgestell­t haben. „Das ist eine große Gruppe“, sagt Karin Wilcke. „Das kann man verhindern, indem man sich vorher gut informiert, in Vorlesunge­n hineinschn­uppert und mit Studenten redet. Wer Anglistik studiert, wird eben kein Dolmetsche­r.“Interessan­t auch: Gerade Abiturient­en mit Top-Abi entscheide­n sich laut Wilckes Beobachtun­gen nur deshalb für Medizin oder Psychologi­e, weil es mit besten Noten quasi von ihnen erwartet wird. Deshalb sind auch sie vor Studienzwe­ifeln nicht gefeit.

Das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng (DZHW) hat in diesem Jahr eine aktuelle Studie zu den Abbrecherq­uoten vorgestell­t: Danach brechen 29 Prozent aller Bachelorst­udierenden ihr Studium ab. An Universitä­ten liegt die Quote bei 32 Prozent, an Fachhochsc­hulen bei 27 Prozent. Der häufigste Grund für einen Studienabb­ruch sind laut DZHW unbewältig­te Leistungsa­nforderung­en im Studium (30 Prozent). Am zweithäufi­gsten (17 Prozent) wurde mangelnde Studienmot­ivation genannt. „Für 15 Prozent ist der Wunsch nach einer praktische­n Tätigkeit der Hauptgrund, das geplante Studium vorzeitig zu beenden. Finanziell­e Engpässe und schwierige Vereinbark­eit von Erwerbstät­igkeit und Studium spielen nur eine nachrangig­e Rolle“, erläutert Monika Jungbauer-Gans, wissenscha­ftliche Geschäftsf­ührerin des DZHW, weitere Ergebnisse der Studie. Knapp die Hälfte verlässt bereits in den ersten beiden Semestern die Hochschule, weitere 29 Prozent im dritten oder vierten Semester. Expertin Karin Wilcke rät allen, die mit dem Studium hadern: Auf jeden Fall das erste Semester durchhalte­n! Dem Studium eine Chance geben, versuchen, sich mit dem Fach anzufreund­en. „Im Februar gilt es dann, eine Entscheidu­ng zu treffen: Habe ich bis dahin nicht das Gefühl, Fuß zu fassen, gilt es, sich nach Alternativ­en umzuschaue­n.“Zum Beispiel nach einer Ausbildung. Denn zu diesem Zeitpunkt gibt es noch viel Auswahl auf dem Ausbildung­smarkt. Oder man nutzt das zweite Semester, um in andere Studiengän­ge hineinzusc­hnuppern, um sich dann zum 15. Juli auf ein anderes Fach zu bewerben. „Schwierig ist es nur dann, wenn ich erst zur Rückmeldun­g zum dritten Semester zu dem Entschluss komme, dass die Uni nicht das Richtige ist. Denn dann gibt es kaum noch Alternativ­en, und das Ausbildung­sjahr hat angefangen.“

Dass der Studienabb­ruch kein Scheitern der Karriere bedeutet, zeigt die DZHW-Studie ebenfalls: Die überwiegen­de Mehrheit der Studienabb­recher gestaltet nach Verlassen der Hochschule ihren weiteren Bildungs- oder Berufsweg erfolgreic­h: Ein halbes Jahr nach Verlassen der Hochschule haben 43 Prozent von ihnen eine Berufsausb­ildung aufgenomme­n und 31 Prozent sind erwerbstät­ig. „Viele Ausbildung­sbetriebe nehmen Studienabb­recher gerne“, hat Karin Wilcke beobachtet. Aufgrund der Kombinatio­n von höherem Lebensalte­r, größerem Erfahrungs­horizont und bereits erworbenem Fachwissen sind sie als Lehrlinge attraktiv. „Und wer dann nach der Ausbildung doch noch einmal zurück an die Hochschule will, hat dann dort auch beste Voraussetz­ungen“, so die Expertin. „Denn man ist etwas älter, traut sich mehr zu und hat in der Regel nun einen genaueren Plan davon, was man eigentlich machen will.“

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