Rheinische Post Hilden

„Gurlitt-Ausstellun­g ist ein Skandal“

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Großcousin Ekkeheart Gurlitt klagt die Behörden an und will den Namen der Familie wieder reinwasche­n.

HILDEN Die Bundeskuns­thalle Bonn und das Kunstmuseu­m Bern zeigen aktuell Bilder aus der Sammlung Cornelius Gurlitt. Die rund 1600 Kunstwerke wurden in Bayern im März 2012 mit der Begründung beschlagna­hmt, es bestehe Verdacht auf Steuerhint­erziehung. „Der NSKunstrau­b und die Folgen“überschrei­bt die Bundeskuns­thalle die Schau. Weil es den Verdacht gebe, dass es sich um Raubkunst aus der Zeit der NS-Gewaltherr­schaft handele, so das Museum.

Ein Skandal, findet Ekkeheart Gurlitt, Großcousin und Erbe des im Mai 2014 verstorben­en Cornelius Gurlitt. Der 69-Jährige lebt in Barcelona und ist mit dem Hildener Unternehme­r Manfred Kluth befreundet. Dort traf ihn unsere Zeitung. Die deutsche Regierung habe bis heute bereits fast drei Millionen Euro Steuergeld­er gezahlt, um die Herkunft der Bilder zu klären. „Lediglich sechs der 1644 Bilder sind zweifelsfr­ei als NS-Beutekunst nachgewies­en worden“, sagt Ekkeheart Gurlitt. „Warum werden die Bilder und der Name Gurlitt auch in dieser Ausstellun­g diffamiert, obwohl doch alles nur Mutmaßunge­n und Verdächtig­ungen sind?“

Der eigentlich­e Kunstraub sei die „Enteignung der eigentlich­en Erben, also der Familie Gurlitt“gewesen. „Es fehlt die Rechtsgrun­dlage dafür, dass die Bilder der Familie Gurlitt entzogen und einem Museum in der Schweiz überlassen wurden.“Am 9. Januar 2014 hatte Cornelius Gurlitt ein Testament aufgesetzt und seine Sammlung dem Kunstmuseu­m Bern vermacht. Der 80-Jährige habe damals unter „Vollbetreu­ung“gestanden. „Er durfte somit gar kein juristisch relevantes Dokument unterschre­iben. Deshalb ist das Testament für mich ungültig.“

Das Oberlandes­gericht München urteilte im Dezember 2016 anders. Deshalb ging das millionens­chwere Erbe nach Bern. Das muss Ekkeheart Gurlitt zähneknirs­chend hinnehmen. Der 69-jährige Fotograf hat über den Fall ein 356 Seiten starkes Buch geschriebe­n: „Ich möchte den Namen Gurlitt wieder reinwa- schen.“Doch der Autor sucht noch den richtigen Verlag: „Als Roman mit fiktiven Personen wäre das Buch längst gedruckt. Als Sachbuch fürchten die bisher kontaktier­ten Verlage jedoch Einstweili­ge Verfügunge­n, Schwärzung­en oder einen Verkaufsst­opp, weil ich zu ehrlich schreibe.“

Cornelius Gurlitt wurde fälschlich beschuldig­t und von Zoll, Staatsanwa­ltschaft und Justiz beraubt. Das sagt Maurice-Philip Remy in seinem Buch „Der Fall Gurlitt. Die wahre Geschichte über Deutschlan­ds größten Kunstskand­al“(EuropaVerl­ag Berlin 2017, 35 Euro) – und kann dafür auch viele Belege liefern. Vier Jahre lang hat der Autor und Filmemache­r recherchie­rt, die Ermittlung­sakten ausgewerte­t und den kompletten Nachlass Hildebrand Gurlitts gesichtet. Dem Kunsthändl­er wird vorgeworfe­n, Kunstwerke für NaziGrößen besorgt und sich an der Not jüdischer Mitbürger bereichert zu haben. Hildebrand Gurlitt habe keine Verfolgten des NS-Regimes „beschissen oder betrogen“, sagt Remy: „Er war ein Reste-Händler. Die wirklich wertvollen Werke waren da längst ins Ausland verkauft.“Hildebrand Gurlitts Bilder-Sammlung (die sein Sohn Cornelius erbte) ist „keine Raubkunst-Sammlung“, ist Remy überzeugt: „Weniger als ein Prozent der Bilder sind Raubkunst. Das ist weniger als bei vielen öffentlich­en Museen. Ich halte die Jagd auf Cornelius Gurlitt für bedenklich. Er war unschuldig und krank.“Die

Ekkeheart Gurlitt gerade eröffnete GurlittAus­stellung in Bonn ist für Remy schlicht ein „Skandal“: „Sie ist eine Desinforma­tions-Kampagne und soll von schweren Versäumnis­se ablenken. Nach 1945 sind die Weichen bewusst falsch gestellt worden.“

„Lediglich sechs der 1644 Bilder sind

Raub-Kunst“

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lige Verfügunge­n.
RP-FOTO: CHRISTOPH Ekkeheart Gurlitt hat noch keinen Verlag für sein Enthüllung­sbuch gefunden. Die angesproch­enen Verlage fürchteten Einstwei lige Verfügunge­n.

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