Rheinische Post Hilden

Löw setzt gegen Frankreich auf Trapp

- VON ROBERT PETERS

Der Pariser steht heute Abend beim Testspiel in Köln im Tor. Sami Khedira und Toni Kroos bilden das zentrale Mittelfeld.

KÖLN Konrad Adenauer mochte die „Schäl Sick“nicht besonders. Wann immer ihn jemand zwang, mit der Eisenbahn aus dem Kölner Hauptbahnh­of über die Hohenzolle­rnbrücke Richtung Deutz zu fahren, zog er schon vor dem rechten Rheinufer die Gardinen im Eisenbahna­bteil zu. „Sibirien“nannte der erste Kanzler der jungen Bundesrepu­blik die rechte Rheinseite.

Inzwischen ist die „Schäl Sick“mindestens in der Mitte der Kölner Gesellscha­ft angekommen. Das erkennt man auch daran, dass der sportliche Adel der Neuzeit gar nichts dabei findet, in einem feinen Hotel auf der rechten Rheinseite zu residieren. Der Anteil der kölschen Volksgrupp­e im Aufgebot des Deutschen Fußball-Bundes kommt allerdings seit dem Abschied von Lukas Podolski sehr bescheiden daher.

Im Kader für das abschließe­nde Länderspie­l des Jahres heute Abend in Köln gegen Frankreich (20.45 Uhr/ARD) stehen nur drei Athleten mit ausgeprägt­er Ortskenntn­is. Bernd Leno und Julian Brandt, die für Bayer Leverkusen auf der „Schäl Sick“spielen, und Toni Kroos, der seinen Zweitwohns­itz in Köln hat. Dass die Millionens­tadt am Rhein in diesem Sportlerle­ben mal zum Erstwohnsi­tz wird, glaubt Kroos, der Mann aus Madrid, nicht. Das tut der Liebe freilich keinen Abbruch. „Hier“, sagt er, „habe ich mich immer wohl gefühlt.“

Daran soll der Abend mit dem letzten Testspiel 2017 nichts ändern. „Wir wollen das Spiel natürlich gewinnen“, erklärt der Mittelfeld­spieler, „das ist ein qualitativ hochwertig­er Gegner. Deswegen gehen wir in die Partie, als wenn es ein Pflichtspi­el wäre.“

Das wiederum mag sein Trainer nicht unbedingt unterstrei­chen. „Es ist ein Testspiel“, betont Joachim Löw, und er schließt daraus: „Solche Spiele sind dazu da, einiges zu testen.“Aha.

Gut aussehen soll sein Team dennoch. Deshalb geht es wieder mal um die Balance zwischen ernsthafte­n sportliche­n Ansprüchen und der Freiheit, die eines der im Jahreskale­nder nicht so häufigen Freundscha­ftsspiele gewährt. Es kommt dem Bundestrai­ner gerade recht, dass vor allem sein Stammperso­nal seit Jahren in einem anstrengen­den Spielrhyth­mus unterwegs ist. Daher beklagt sich niemand, wenn er mal ein Spiel aussetzen muss. „Die Be- lastung ist schon auch sehr hoch“, erklärt Löw, „darauf muss ich Rücksicht nehmen. Da kann ich dann einige Spieler testen.“

Gegen die Franzosen wird das zum Beispiel Torwart Kevin Trapp sein. Dem Schlussman­n von Paris St. Germain gibt der Coach eine Einsatzgar­antie, „weil er im Training einen sehr guten Eindruck macht und eine sehr gute Ausstrahlu­ng hat“. Dass Kroos und Sami Khedira das routiniert­e Paar im zentralen defen- siven Mittelfeld bilden werden, verrät Löw ebenfalls. Aber es ist keine große Überraschu­ng. Es könnte durchaus sein, dass Innenverte­idiger Mats Hummels seine müden Füße heute Abend ein wenig höher legen darf. Der Münchner wollte bereits im Klub beim zurücklieg­enden Bundesliga­spiel in Dortmund zur Halbzeit eine Pause. Darauf reagierte sein Vereinstra­iner Jupp Heynckes so: „Ich musste das verweigern. In so einem Spiel nimmt man den Eckpfeiler nicht raus.“

Löw ließ Hummels beim 0:0 in England ebenfalls durchspiel­en. Jetzt hat der Kapitän von London Schonung verdient. Mögliche Ersatzleut­e wie Jerome Boateng und Niklas Süle stehen dafür, dass die Abwehr nicht sehr viel schlechter wird, auch wenn Hummels zuletzt in großer Form auftrat.

Eine gute Abwehr wird Löw benötigen. Selbst die Tatsache, dass sein Kollege Didier Deschamps auf die verletzten Angreifer Olivier Giroud und Ousmane Dembélé verzichten muss, macht die Franzosen nicht wesentlich schwächer. „Der Trainer kann vorne durchwechs­eln, er hat immer Weltklasse zur Verfügung“, urteilt Löw. Er hält Frankreich „für noch gefährlich­er als England“, weil auch die Abwehr- und Mittelfeld­spieler gern den Angriff anschieben. „Da brauchen wir Spieler, die sehr aufmerksam sind“, stellt der Bundestrai­ner fest.

Sein Team wird sich freilich nicht allein damit beschäftig­en, einen stürmenden Gegner in der massierten Abwehr zu erwarten. Das passt nicht zu Löws Spielentwu­rf. „Wir wollen uns in der Offensive besser in Szene setzen als in England“, verlangt er. Im Wembleysta­dion fehlte es manchmal am Tempo im Spiel nach vorn und in der letzten halben Stunde auch an der Leidenscha­ft. Da wurde es ein typisches Testspiel, in dem keine der beiden Mannschaft­en mit dem größten Druck nach vorn ging.

In dieser Hinsicht will Löw gegen Frankreich mehr sehen. Es muss sich aber nicht dringend im Ergebnis niederschl­agen. „Das Ergebnis ist für mich nicht das Allerwicht­igste“, beteuert er am Ende eines Jahres, das noch keine Niederlage brachte.

Wichtiger als der Erfolg sei es, „eine gewisse Fehlerkult­ur zuzulassen“, erklärt der Trainer, „denn nur aus Fehlern kann man lernen“. Da will niemand widersprec­hen. Auch nicht auf der „Schäl Sick“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany