Rheinische Post Hilden

Jede Erzieherin ist 26,6 Tage im Jahr krank

- VON CHRISTOPH SCHMIDT

Die städtische­n Kindergärt­en waren im vergangene­n Jahr nur an einer Handvoll Tagen vollständi­g besetzt.

HILDEN Die 78 Erzieherin­nen der Stadt arbeiten am Limit. Das geht aus einer Anfrage von Anne Gronemeyer (Grüne) hervor, die Ulrich Brakemeier, Leiter des Amts für Jugend, Schule und Sport, jetzt beantworte­t hat. In den Kitas würden wichtige Grundlagen für die Entwicklun­g der kindlichen Persönlich­keit und die Bildung des Menschen gelegt, so Gronemeyer: „Die Erzieherin ist nicht mehr vorrangig Betreuerin der Kinder, sondern soll Bildungspr­ozesse initiieren und die körperlich­e, seelische und intellektu­elle Entwicklun­g der Kinder unterstütz­en. Eine gute personelle Ausstattun­g ist hier von entscheide­nder Bedeutung.“Diese ist aber nicht gegeben, räumt Brakemeier ein. 2016 waren die 88 Mitarbeite­r (davon 80 ganzjährig, acht teiljährig beschäftig­t) in den neun städtische­n Kitas 2190 Tage krank. Das entspreche 250 Arbeitstag­en pro Jahr oder einer Quote von 10,65 Prozent. Das ergibt eine durchschni­ttliche Anzahl von 26,6 Krankheits­tagen im Jahr pro Mitarbeite­r. Nach Einschätzu­ng von Brakemeier war in jeder städtische­n Kita nur an einer Handvoll Tagen eine Vollbesetz­ung vorhanden: „Faktisch hat immer mindestens eine Fachkraft gefehlt.“Wie hoch der aktuelle Krankensta­nd ist, kann der Amtsleiter nicht sagen. Das werde seit 1,5 Jahren nicht mehr erhoben – zu viel Aufwand: „Der Krankensta­nd wird aber sicher in dem bereits festgestel­lten hohen Ausmaß liegen.“Wenn Erzieherin­nen länger ausfallen wegen Krankheit oder Schwangers­chaft, sei es „leider aussichts- los“, eine Vertretung für das laufende Kindergart­enjahr zu organisier­en. Andere Mitarbeite­rinnen – auch aus anderen Einrichtun­gen – müssen dann versuchen, den Ausfall aufzufange­n. Das führt zu Mehrbelast­ungen – und geht auf Kosten der pädagogisc­hen Qualität. Leitungskr­äfte machten deutlich, dass sie sich wegen des hohen Krankensta­ndes ständig überlastet fühlten, berichtet Brakemeier. Gute Mitarbeite­r zu finden und zu halten, sei schwierig, vor allem wenn man nur eine befristete Teilzeitst­elle anbie- ten könne. Er und sein Team hätten sich schon viele Gedanken gemacht, wie man die Situation verbessern könne. So wurden mehr Jahresprak­tikanten eingestell­t. Ein Pool aus Studierend­en (Frühpädago­gik) sei im Aufbau. Die Stadt habe auch Erzieherin­nen über Zeitarbeit­sfirmen gesucht. „Das Ergebnis war unzureiche­nd.“Aktuell befinden sich zehn Erzieherin­nen in Erziehungs­urlaub/Elternzeit. Sie pausieren geschätzt 1,5 bis zwei Jahre pro Kind. Wenn Ersatzkräf­te eingestell­t werden, dann häufig erst mit Verzöge- rung. Das Kinderbild­ungsgesetz schreibt einen Mindestper­sonaleinsa­tz vor. Damit dieser Wert aber tatsächlic­h gesichert ist, müssten zwischen 20 und 25 Prozent mehr Mitarbeite­r eingeplant werden, um Krankheit, Fortbildun­g und Urlaub auszugleic­hen, sagt der LVR. Das hält Dezernent Sönke Eichner zwar für wünschensw­ert, aber angesichts des Millionen-Defizits im städtische­n Etat für nicht machbar: „Ich kenne keine Kommune, die das umsetzt. Wir suchen mit dem Personalra­t nach einer Lösung.“

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