Rheinische Post Hilden

The Whiskey Foundation bestraft alle, die nicht da waren

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Die Münchner haben ihren Bluesrock schon in Stadien gespielt. Wer nicht zu den Glückliche­n im „Tube“gehörte, verpasste viel.

Den „interessan­testen Mann der Welt“hat sich die US-Biermarke „Dos Equis“für eine legendäre Werbekampa­gne ausgedacht, eine Mischung aus James Bond und Robin Hood, Sherlock Holmes, Old Shatterhan­d und Ernest Hemingway. Die Werber hätten ihn nicht erfinden müssen, hätten sie Murat Kaydirma (29) gekannt, Fotograf, Dressman und Frontmann des Münchner Bluesrock-Quintetts The Whiskey Foundation, Besitzer eines prächtigen Vollbarts und nicht weniger als einem Dutzend Mundharmon­ikas.

Man weiß nicht, was gewaltiger ist, Kaydirmas Charisma, seine Bühnenpräs­enz oder schlicht seine unerhörte Stimme. „Auf Euch!“, ruft ein Fan aus dem Publikum am Donnerstag im „Tube“, und Kaydirma ruft zurück: „Ja, auf uns alle!“, und als er unter großem Gelächter einen Song falsch ankündigt, raunt er ins Mikrofon: „Scheißegal, es geht ums Feeling!“Das der 60er Jahre, das ganz ähnlich auch Led Zeppelin oder die Doors erzeugen. The Whiskey Foundation macht Musik zwischen Bluesrock und Soul mit Prisen von Boogie Woogie und Funk, gespielt mit antiken Instrument­en und Verstärker­n, viel Herz und noch mehr Schweiß. Das knallt und swingt, rumpelt, dröhnt und groovt und schmeichel­t dabei dem Ohr wie ein guter Whiskey dem Gaumen.

Dass das nur knapp 30 von 150 möglichen Gästen erleben wollten, ist nicht weniger als eine Schande, aber wer da war, hat vermutlich das Konzert seines Lebens erlebt. Und Kaydirma und seine Mannen tragen es mit Fassung. Dass eine Band „schon alles gesehen“hat, ist eine Phrase und meist grober Unfug dazu. In diesem Fall aber trifft es den Kern, und das, obwohl sich die hier gemeinte Band erst 2011 zusammenge­funden hat. Denn in einem surrealen Monat im Sommer 2015 hat The Whiskey Foundation vor fast einer Viertelmil­lion Menschen gespielt, als Vorband für AC/ DC und Deep Purple. Das war so gewaltig wie es klingt, und mittendrin wurde auch noch ihr Tourbus aufgebroch­en, aber die Münchner haben es gut überstande­n und halten es nicht für unter ihrer Würde, vor zwei Dutzend Leuten zu spielen.

Im Gegenteil: Mit Vergnügen stürzen sie sich in Experiment­e wie ein Konzert an einem Dienstag irgendwo in der Tschechisc­hen Republik, ohne lokale Vorband. „Da waren dann gefühlt mehr Leute auf der Bühne als im Publikum“, sagt Kaydirma, und dass es trotzdem geil ge- wesen sei, oder genauer gesagt: völlig unabhängig davon.

„Blues und Bliss“verspricht und liefert das Quintett, also Blues und Glückselig­keit, und das funktionie­rt in engen Clubs ohnehin besser als in Stadien. Würden sie trotzdem gern in größeren Hallen spielen und ihre Nebenjobs schmeißen können? Selbstrede­nd. „Aber egal wie viele Leute da sind, sie sollen einen guten Abend haben“, sagt Kaydirma, und auch das ist eine Phrase, aber dieser Mann darf das, so wie er „Alright!“und „Let’s go!“und „Are you ready?“rufen darf. Bei ihm setzt das Energie frei, ähnlich wie das mehrminüti­ge hypnotisch­e Orgelsolo von Julian Frohwein. Währenddes­sen kann sich Kaydirma in aller Ruhe einen Drink an der Bar holen, ohne dass er fehlen würde. Und das ist eine Leistung, die sich niemandem erschließt, der The Whiskey Foundation noch nicht live gesehen hat. YouTube ist da nur ein schwacher Trost, die drei Alben der Band schon eher.

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