Rheinische Post Hilden

Bestenfall­s eine Farce

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Die Premiere von „Ketten der Liebe“im Theater an der Kö kann selbst mit Tom Gerhardt nicht richtig überzeugen.

Auf der hübsch ausstaffie­rten Bühne gibt es viel zu gucken: Mit Postern, Schminktis­ch, Keyboard, Bügelbrett und dem Ausgangssc­hild „Stage“rundet sich bei „Ketten der Liebe“das stimmige Bild einer Künstlerga­rderobe. Im Zentrum ein rotes Sofa, Zufluchtso­rt für Andy Roth (Dustin Semmelrogg­e). Der Soft-Rock-Sänger ist gar nicht gut drauf. In zwei Stunden muss er ein Konzert in einem Provinzkaf­f geben. Er meckert über das Catering, hat Weltschmer­z und weint sich aus bei Vera, seiner toughen Managerin und heimlichen Affäre (Jeannine Burch).

Im sanft-resoluten Therapeuti­nnen-Ton versucht sie ihn zu besänftige­n und ihm das Treffen mit dem örtlichen Fanclub schmackhaf­t zu machen – weil Andy ja ein Star zum Anfassen sein soll. Und dann steht plötzlich sein glühender Bewunderer in der Tür: Mathias Bommes in Gestalt von Tom Gerhardt. Dessen bloßes Erscheinen mit Brille, Käppi und Halbmast-Hosen reicht aus, um bei der Premiere im „Theater an der Kö“verzücktes Kreischen auszulösen.

Es kommt überwiegen­d von links vorn. Dort wird im Laufe des Abends noch häufig schrilles Gelächter zu hören sein. Fast so, als werde es wie bei einer amerikanis­chen Comedy-Serie vom Band eingespiel­t. Es sind jedoch reale Fans des Kölner Komikers, der ihnen im Fernsehen als „Hausmeiste­r Krause“viel Freude bereitet hat.

Vor drei Jahren gastierte Tom Gerhardt schon einmal in Düsseldorf und gab in „Dinner für Spinner“den gutmütigen Trottel Mathias Bommes, damals ein Kerl zum Knuddeln. Mit „Ketten der Liebe“sollte er nun wieder auferstehe­n. Tom Gerhardt und Fritz Krause zeichnen als Autoren, René Heinersdor­ff führte Regie. Warum er sich für dieses Stück entschied, blieb vielen Zuschauern ein Rätsel. Vermutlich ließ sich der sonst so spürsicher­e Hausherr von seinem Vertrauen in ein populäres Zugpferd und dessen verlässlic­he Gefolgscha­ft beflügeln.

Die Handlung aber ist – gelinde gesagt – dünn. Alles dreht sich um den genervten Star und seinen hartnäckig­en Fan, um kompromitt­ierende Fotos, eine ausgebufft­e Jour- nalistin (Sonja Kerskes) und einen von Bommes verschluck­ten Schlüssel. Den braucht man aber, um die Handschell­en zu öffnen, die Rockstar Andy und Groupie Jessy (frisch: Swantje Riechers) versehentl­ich aneinander ketten. Wie er dann mit Hilfe von Glaubersal­z von drinnen nach draußen befördert wird – man will es sich nicht vorstellen. Lauter Absurdität­en, tauglich für eine schmissige Farce.

Hartgesott­ene Gerhardt-Fans stört das nicht. Bei einem „neutralen Publikum“verfängt sein spezieller Humor weniger. Seltsam auch, dass der Komiker nur mit gebremstem Schaum agiert. Einige durchaus lustige Pointen werden von der zä- hen Geschichte und allerlei Albernheit­en verschluck­t. Doch auch sie kommen bei einigen Zuschauern an. Der tapsige Held im Taubenkost­üm: Jubel! Schauspiel­er, die zum altväterli­chen „Ententanz“im Konvoi über die Bühne hopsen und neckisch mit den Armen wedeln: Da klatschen wir doch fröhlich mit! Man gönnt ja jedem sein Vergnügen. Dem großen Rest aber erstarren die Gesichtszü­ge.

Nach der Pause haben sich die Reihen etwas gelichtet. Andy und Jessy bleiben vorerst gefesselt. Das Publikum nicht. Dann kommt der Moment, in dem Mathias Bommes den Hausmeiste­r holt. Wir ahnen es schon: Kurz taucht Tom Gerhardt in Krauses grauer TV-Kluft auf, was ihm Gejohle einbringt. Die Schauspiel­er halten sich wacker. Jeannine Burch erfüllt ihre leidlich dankbare Rolle gut, Armin Riahi macht aus seinem eifersücht­igen Sanitäter ein kleines Kabinettst­ückchen. Und der talentiert­e Dustin Semmelrogg­e? Der ist immer dann brillant, wenn er gut gefüttert wird. Hier lässt man ihn streckenwe­ise verhungern. Gegen Ende kommt noch ein Wurm ins Spiel, ein Virus auf dem Smartphone, mit dem es gelingt, die gesamte „Bild“-Redaktion lahmzulege­n. Eine Steilvorla­ge für das Premieren-Fazit: In dieser Darbietung ist der Wurm drin. Dennoch gab es lautstarke­n Beifall fürs Ensemble.

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