Rheinische Post Hilden

Kreis hat noch kein Mittel gegen Wunderheil­er

- VON DIRK NEUBAUER UND ALEXANDRA RÜTTGEN

Hildener Apotheker: „Wir sind alle entsetzt.“Kreisgesun­dheitsamt kündigt fürs nächste Jahr strikte Überprüfun­gen an.

HILDEN Dr. Jürgen Wunderlich ist empört. Der Hildener ist Sprecher der Apotheken im Südkreis, also Hilden, Haan, Langenfeld und Monheim. Dass ein Apotheker in Bottrop personalis­ierte Medikament­e gegen Krebs gepanscht haben soll, das „entsetzt alle aus unserem Berufsstan­d. Das ist schon Wahnsinn.“Auf dieses Thema haben den Hildener Apotheker auch schon Kunden angesproch­en, „vor allem Angehörige von Krebspatie­nten“. „Es ist Angst da“, hat Wunderlich beobachtet.

Gerne erläutert er dann, dass sich sein Betrieb an die gesetzlich­en Vorschrift­en hält, denen zufolge bei der Herstellun­g von Infusionen stets zwei Apotheker anwesend sein müssen. „Jeder Kunde kann nachfragen, ob er sich das einmal anschauen kann“, rät Wunderlich. Apotheker, die auch sonst nicht seriös arbeiten, sollten nicht mit der Herstellun­g von Medikament­en beauftragt werden. Das ist beispielsw­eise dann der Fall, wenn Apotheker sonst rezeptpfli­chtige Medikament­e auch ohne Rezept abgeben.

Im Grenzberei­ch der Medizin ist eine wirksame Kontrolle schwierig bis unmöglich. Das sagte der Leiter des Kreisgesun­dheitsamte­s, Dr. Rudolf Lange, am Mittwochab­end den Mitglieder­n der „Kommunalen Konferenz Gesundheit, Alter, Pflege“. Könnte der Kreis Mettmann verhindern, dass ein Heilprakti­ker mit offenbar nicht zugelassen­en Arzneien Krebspatie­nten behandelt und diese anschließe­nd sterben? So lauten die Vorwürfe der Staatsanwa­ltschaft gegen einen Heilprakti­ker in Brüggen-Bracht. Und könnte der Kreis Mettmann eingreifen, falls ein Apotheker personalis­ierte Medikament­e gegen Krebs nicht nach Vorschrift mischt – so wie laut Anklage in Bottrop geschehen? Lange machte deutlich, dass er auf beide Fragen derzeit mit einem „Nein“antworten muss.

Dabei soll seine Behörde die Einhaltung von Vorgaben und Standards ab dem nächsten Jahr strikter überprüfen. Wie das gehen soll, sei unklar, sagte Dr. Lange. Zu den an- geblich bis zur Wirkungslo­sigkeit gepanschte­n Krebsmedik­amenten aus der Alten Apotheke in Bottrop läuft derzeit das Gerichtsve­rfahren. Es geht dort – neben strafrecht­lichen und ethischen Fragen – um einen Streitwert von 65 Millionen Euro. „In diesem Bereich werden Wirkstoffe verwendet, die vier-, teilweise fünfstelli­ge Summen kosten“, erläuterte Dr. Lange.

Anders als bei der Herstellun­g von Lebensmitt­eln gebe es in den Apotheken keine Rückstellp­roben, die im Zweifelsfa­ll überprüft werden könnten. Die Medikament­e würden für den einzelnen Krebspatie­nten zielgenau und frisch gemischt. Es fehlen bisher alle Verfahren, diese hoch spezialisi­erten Herstellun­gs- prozesse wirksam zu kontrollie­ren, so Lange. Einziger Lichtblick: Es gebe derzeit im gesamten Kreis Mettmann nur eine internisti­sche Gemeinscha­ftspraxis mit zwei Standorten und zwei Apotheken, die auf diesem Gebiet tätig seien; also eine derzeit sehr überschaub­are Zahl von Handelnden. Und die seien kooperativ.

Heike Kraft erklärte im Namen der Apothekerk­ammer, dass es leider immer und überall schwarze Schafe geben könne. Und der Leiter des Gesundheit­samtes fasst seine Bedenken gegen den Zuwachs an Aufgaben für das Kreisgesun­dheitsamt so zusammen: „Mehr Kontrollen lösen an dieser Stelle die Probleme sicherlich nicht!“

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