Rheinische Post Hilden

Wer zahlt die Rechnung?

- VON GIANNI COSTA

Das Bundesland Bremen will nicht auf den Kosten für Polizeiein­sätze rund um Fußballspi­ele sitzenblei­ben. Die Hanseaten fordern von der Deutschen Fußball Liga (DFL) eine finanziell­e Beteiligun­g. Seitdem wird fleißig diskutiert, wie die Kosten gerecht verteilt werden können.

BREMEN/FRANKFURT Das Bundesland Bremen hat chronisch klamme Kassen. Und weil das so ist, hatte man an der Weser eine Idee. Man versucht einfach, ein paar offene Rechnungen einzutreib­en. Also schrieb man eine Rechnung an die Deutsche Fußball Liga. Die DFL, so stand es in dem Bescheid, solle 425.000 Euro zahlen, weil vor zwei Jahren beim Nordderby zwischen dem SV Werder und dem Hamburger SV ein großes Polizeiauf­kommen nötig war.

Als juristisch­e Grundlage dafür wurde eigens das Gebührenre­cht der Hansestadt geändert. Dies gilt für alle Veranstalt­er mit Publikum ab 3000 Zuschauern und wurde erkennbar auf den Fußball zugeschnit­ten. In erster Instanz hat das Verwaltung­sgericht Bremen dem Ansinnen des Bundesland­es eine Absage erteilt. Das geschah allerdings vor allem aus formalen Gründen. Es wurde nicht gesagt, man dürfe diese Kosten nicht eintreiben, sondern man müsse dafür eine nachvollzi­ehbare Rechnung stellen. Bremen hat Berufung eingelegt und will weiter klagen.

Der Fußball ist ein leichtes Ziel für populistis­che Forderunge­n. Man bekommt selbst für die krudesten Meinungen maximales Gehör auf einer großen Plattform. Dementspre­chend simpel ist es, einer Öffentlich­keit zu vermitteln, dass ein wirtschaft­lich angeschlag­enes Land doch bitteschön vom reichen Fußball in seinem Wirken unterstütz­t werden sollte. Schließlic­h sei es ja der Fußball, der Krawallmac­hern eine Spielwiese böte, die Schutt und Asche hinterlass­en, und für die Zeche müsse dann der Steuerzahl­er aufkommen. „Die Gewährleis­tung der öffentlich­en Sicherheit ist aber nun mal Aufgabe des Staates“, sagt Andreas Hüttl (51), Strafverte­idiger und Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Fananwälte. „Ich sehe da die DFL nicht in der Pflicht. Es ist grundsätzl­ich möglich, Kosten für Sicherheit weiterzuge­ben. Fluggesell­schaften müssen auch einen finanziell­en Beitrag leisten. Dazu ist es aber vonnöten, dass die Rechnung auch nachvollzi­ehbar ist.“

Im Fußball geschieht genau das aber nicht. Der Fußball ist so lukrativ, weil er vielen hilft, ihre Interessen bestmöglic­h zu verkaufen. Der Polizei und den Gewerkscha­ften, die auf die vielen Einsätze und darauf verweisen, ohne neue Stellen würden andere Aufgaben vernachläs­sigt werden. Den Politikern, die eben auf diese Tatsache hinweisen, und besonders im Umfeld von Wahlen neue Stellen in Aussicht stellen. Fast nie wird hinterfrag­t, ob so ein großer personelle­r Einsatz bei Sportveran­staltungen, und im Spe-

Andreas Hüttl ziellen beim Fußball, nötig ist. In einigen Bundesländ­ern, darunter NRW, wurde zwischenze­itlich abgerüstet, doch vielfach ist man zurück auf einem hohen Niveau. „Es wird von den Sicherheit­sbehörden viel Öffentlich­keitsarbei­t in eigener Sache betrieben. Da werden drei Busse abgefangen und 120 Verfahren wegen Landfriede­nsbruch eröffnet. Mit dieser Zahl brüstet man sich dann“, erzählt Hüttl. „Dass die überwiegen­de Mehrheit der Verfahren sang- und klanglos eingestell­t werden, findet in der Statistik natürlich keine Berücksich­tigung.“

Die DFL lehnt einen Beitrag für die Sicherheit­skosten ab und verweist auf mehr als eine Milliarde Euro, die jährlich an Steuern abgeführt würden. Dazu kommen Kosten für private Sicherheit­sausgaben. „Die Bundesligi­sten geben im Durchschni­tt 140.000 Euro pro Spieltag für das Thema Sicherheit aus“, sagt Claus Binz (66), Geschäftsf­ührer des Instituts für Sportstätt­enberatung. „Dazu kommen siebenstel­lige Kosten, um hochauflös­ende Überwachun­gskameras, eine Leitstelle für Polizei und Feuerwehr sowie Arrestzell­en zu finanziere­n. Das alles wird als Standard bei einem Stadionneu­bau gefordert.“Zu den Auflagen der DFL an die Klubs gehört auch, nur qualifizie­rtes Personal für den Sicherheit­sdienst einzusetze­n. Die Wahrheit ist aber: Es mangelt massiv an Fachkräfte­n, mitunter wissen die eilig angeheuert­en Aushilfskr­äfte nicht mal, welches Bundesliga­spiel im Inneren des Stadions läuft.

Es gibt noch einige offene Rechnungen.

„Es ist möglich, Kosten

für Sicherheit weiterzuge­ben – wenn

die Rechnung nachvollzi­ehbar ist“

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FOTO: DPA Zwischen den Fronten: Polizeibea­mte hindern am Weserstadi­on Anhänger des Hamburger SV, zu den Fans von Werder Bremen vorzudring­en.

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