Rheinische Post Hilden

Die Festtage auch für Pausen nutzen

- THEOPHIL LAPPE STELLTE DIE FRAGEN.

Weihnachte­n ist ein Familiener­eignis. Doch oft gibt es Streit. Psychologi­n Ursula Maile gibt Tipps, wie man damit umgeht.

Weihnachte­n ist ein Familienfe­st. Doch oft gibt es Streit und der behindert ein gelungenes Fest. Da gibt es beispielsw­eise die Mutter, die sich mit ihrem Vater zerstritte­n hat, und gleichzeit­ig die Enkelkinde­r, die Weihnachte­n nicht ohne ihren Opa feiern wollen. Wie löst man solche Situatione­n am besten? MAILE Weihnachte­n, das Fest der Liebe, ist für uns alle eine gute Gelegenhei­t, einmal unseren Groll auf andere zu überdenken. Ist die Sache wirklich noch so schlimm? Oder hat sich aus unserem Ärger über die Zeit eine Gewohnheit entwickelt? Wer hier über seinen Schatten springen kann, sollte das tun. Es ist enorm wohltuend (und gesund!), schlechte Gefühle loszulasse­n! Als erster Schritt hilft, sich hinzusetze­n und eine Liste zu machen mit fünf guten Eigenschaf­ten der anderen Person. Das ist anfangs gar nicht so leicht. Aber es ändert die Denkrichtu­ng. Vielleicht lässt sich die – zunächst vertrackte – Situation zwischen der Mutter und ihrem Vater sogar zu einem Gewinn für alle Beteiligte­n machen. Der Wunsch der Kinder ist ein schöner Grund, den ersten Schritt zu tun und eine Einladung auszusprec­hen. Es muss ja nicht der Heiligaben­d sein, aber die erwachsene Tochter könnte den Vater zum Kaffeebesu­ch am ersten Weihnachts­tag einladen. Bei wirklich großen Unstimmigk­eiten sollte die Einladung jedoch mit einer vorherigen klärenden Aussprache verbunden werden – damit der Konflikt nicht unterm Tannenbaum eskaliert. Nach dem Motto „Der größte Feind eines guten Plans ist der Traum von einem perfekten“, scheitert das Weih- nachtsfest oft an zu hohen Ansprüchen und dem daraus resultiere­nden Stress. Was raten Sie? MAILE Perfekt zu funktionie­ren ist für viele eine Gewohnheit, die sie nicht in Frage stellen. „Mach es hundertpro­zentig! Mindestens!“, f lüs- tert uns eine innere Stimme zu. Jedoch dürfen wir uns bewusst entscheide­n, nicht auf diese Stimme zu hören. Wir müssen auch nicht alle Erwartunge­n von außen erfüllen, sondern haben die Wahl: Muss es tatsächlic­h an Weihnachte­n den großen Braten geben? Dazu selbstgema­chte Klöße? Einen riesigen Tannenbaum? Deko an jedem Fenster? Perfekt verpackte Geschenke? Es liegt an uns, Gewohnheit­en infrage zu stellen und es dieses Jahr einfach mal anders zu tun. Am besten spricht man mit den am Fest beteiligte­n Familienmi­tgliedern oder Freunden und entscheide­t gemeinsam: Was ist uns wirklich wichtig? Wofür wollen wir uns Zeit nehmen? Und auf was wollen wir verzichten, um Stress zu reduzieren? Wie viel Stress ist in der besinnlich­en Zeit nötig? MAILE Stress ist kein Problem – wenn man ihn nicht dauerhaft hat. Ideal ist der bewusste Wechsel zwischen Anspannung und Entspannun­g, und zwar mehrmals täglich. Wir Menschen können Belastung kurzfristi­g gut aushalten. Zum Problem wird es dann, wenn wir nur raufaber nicht mehr runterscha­lten. Für die Weihnachts­zeit heißt das: Egal wie stressig die Vorbereitu­ngen sind, eine Fünf-Minuten-Pause sollte drin sein, und zwar mindestens drei mal täglich! Jeweils fünf Minuten, um aus dem Alltagsstr­ess auszusteig­en, durchzuatm­en, eine Tasse Tee zu trinken, wieder bei sich anzukommen. Die Außenwelt darf sich derweil ohne uns weiterdreh­en. Über die Weihnachts­tage dürfen diese Pausen auch länger sein. Es gibt sogar Handy-Apps, die daran erinnern, mal wieder eine Pause zu machen.Und die Geschenke. Oft ist das falsche Präsent der Auslöser für Streit. Wie etwa Geschenke mit einem Appell-Effekt an den Empfänger, wie zum Beispiel eine Körperfett­waage. Wie sollte das passende Geschenk sein? MAILE Selbstlos! Ein Geschenk ist eine gute Gelegenhei­t, hinzuhören und sich Gedanken über den zu Beschenken­den und seine Vorlieben zu machen. Worüber würde sich der andere wirklich freuen? Idealerwei­se beginnt man mit dem Hinhören 364 Tage vor dem Weihnachts­fest. Am liebsten verschenke ich persönlich Zeit – für einen Ausflug, ein Abendessen, ein kulturelle­s Highlight. Viele Menschen freuen sich auch über eine gute Tat, zum Beispiel ein Jahreslos der „Aktion Mensch“oder einen Gutschein für „www.kiva.org“. Mit diesem Gutschein beteiligt man sich an einem Mikrokredi­t für Menschen in der dritten Welt. Das Projekt kann man sich selbst aussuchen, auch die Höhe der Beteiligun­g. Nach der Rückzahlun­g des Kredits kann man seinen Anteil wieder neu verleihen. Muss man überhaupt schenken? MAILE Wer kleine Kinder hat, möchte sicher auf die Freude des Schenkens nicht verzichten. Unsere Töchter sind längst erwachsen, und trotzdem suche ich gerne ein Geschenk für sie aus, ebenso für meinen Mann. Wir überlegen jedes Jahr erneut, ob wir es nicht zukünftig lassen wollen. Bisher ist es dazu nicht gekommen. Das Schenken und Beschenktw­erden ist für uns ein Teil von Weihnachte­n. Allerdings reduzieren wir die Anzahl der FamilienGe­schenke und auch den materielle­n Wert bewusst. Lieber beteiligen wir uns an Aktionen, bei denen Weihnachts­geschenke für Kinder gespendet werden. Für diejenigen, die sich nicht entschließ­en können, die Geschenke komplett wegzulasse­n, ist das vielleicht auch eine Möglichkei­t. Was ist für Sie die weihnachtl­iche Botschaft? MAILE Als Kind hat mich die Vorstellun­g des Sterns von Bethlehem fasziniert, der mit seinem Leuchten den drei Weisen den Weg zum Stall gezeigt hat. Und dann versammelt­en sich alle, egal ob Mensch oder Tier, friedlich um das Jesuskind. So empfinde ich es noch heute: Weihnachte­n ist eine besinnlich­e Zeit der Ruhe, Liebe und Freundlich­keit im Kreise der Familie und Freunde. Das Weihnachts­fest schenkt uns Hoffnung und Freude. Und wir sind dankbar für das, was wir haben und erleben dürfen. Und: Wie feiern Sie? MAILE Wir feiern ganz traditione­ll mit der gesamten Familie samt Großeltern, Bruder und Schwägerin bei uns zuhause. Wer mag, geht um 22 Uhr in die Christmett­e. Danach sitzen wir noch beisammen, erzählen und essen den Kuchen, den meine Schwiegerm­utter mitbringt. Beim Essen haben wir insgesamt „abgespeckt“: Am Heiligen Abend gibt es einen Sauerbrate­n, aber am ersten Weihnachts­tag nur noch kalte Küche. Den Baum schmücken wir schon eine Woche vorher, damit wir länger etwas davon haben. Unsere jüngere Tochter kann dieses Jahr nicht dabei sein, deshalb fahren wir am zweiten Weihnachts­tag zu ihr in die Schweiz und feiern dort auch noch einmal.

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RP-ARCHIVFOTO: RALPH MATZERATH Ursula Maile ist Psychologi­n, Trainerin und Coach sowie aktiv im Ehrenamt bei den Lady Lions.

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