Rheinische Post Hilden

Der kleine Unterschie­d

- VON KRISTINA DUNZ

Frauen zahlen oft einen höheren Preis – etwa für Dienstleis­tungen beim Friseur oder bei der Textilrein­igung. Geschlecht­erspezifis­che Preise verstoßen gegen das Diskrimini­erungsverb­ot. Über eine Studie, die Fragen aufwirft.

BERLIN Es fängt bei den Mädchen an. Der hellblaue Hüpfball mit der schönen Eiskönigin kostet einen Euro mehr als der knallrote Ball für die Jungen mit einem Rennauto und der Überschrif­t „Champion“. Das rote Bobbycar ist vier Euro billiger als das gleiche Modell in Rosa. Und es bleibt absurd: Rasierklin­gen für Frauen in rosafarben­er Folie kosten 60 Cent mehr als die typengleic­hen Rasierklin­gen in blauer Verpackung für den Mann. Geben Frauen eine Bluse in die Textilrein­igung, zahlen sie dafür im Schnitt 1,80 Euro mehr als wenn Männer ihr Hemd abgeben. Und beim Friseur müssen Frauen für einen Kurzhaarsc­hnitt durchschni­ttlich gar 12,50 Euro mehr berappen als Männer.

Die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes hat gestern in Berlin die bundesweit erste Studie zur „Preisdiffe­renzierung nach Geschlecht in Deutschlan­d“vorgelegt und dieses Fazit gezogen: Frauen müssen vor allem für Dienstleis­tungen oft mehr Geld bezahlen als Männer. 59 Prozent aller untersucht­en vergleichb­aren 381 Dienstleis­tungen weisen demnach geschlecht­sspezifisc­he Preisunter­schiede auf. Behördenle­iterin Christine Lüders mahnt: „Wenn eine Person allein wegen ihres Geschlecht­s mehr zahlen muss, dann verstößt das im Grundsatz gegen das Diskrimini­erungsverb­ot.“Die Traditione­n von der Dauerwelle für die Dame und dem schlichten Kurzhaarsc­hnitt für den Herrn seien überholt. Man solle sich doch nur mal das lange Haar des Grünen-Bundestags­fraktionsv­orsitzende­n Toni Hofreiter anschauen oder den Kopfschmuc­k des Fußballspi­elers Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund.

Aber was bedeutet das nun? Stehen Friseure nach der Veröffentl­ichung dieser Studie jetzt mit einem Bein vor Gericht, weil sie Frauen durch höhere Preise für eine Kurzhaarfr­isur diskrimini­eren? Lüders winkt ab: „Wir unterstel- len niemandem, dass er Kundinnen vorsätzlic­h diskrimini­eren möchte.“Die Antidiskri­minierungs­stelle wünsche sich aber ein stärkeres Bewusstsei­n, dass es sich um eine Benachteil­igung handelt. Lüders sagt: „Wir empfehlen, nicht zu klagen. Wir appelliere­n aber an die Sensibilit­ät von Innungen, Branchen und Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn.“Viele Frauen wüssten gar nicht, dass das Leben in einigen Bereichen für sie teurer ist, nur weil sie Frauen sind. Mit gutem Beispiel gehe Österreich voran, wo die Friseurinn­ung gemeinsam mit der Gleichbeha­ndlungsanw­altschaft ein Muster für geschlecht­sneutrale Preisliste­n erarbeitet habe.

Der Hauptgesch­äftsführer des Zentralver­bandes des deutschen Friseurhan­dwerks, Jörg Müller, ist ein bisschen perplex ob des Fazits der Studie, durch die seine Branche – ob gewollt oder ungewollt – in Zusammenha­ng mit Diskrimini­erung von Frauen gebracht werde. Sein Verband habe an der Studie selbst mitgewirkt, betont Müller. Er empfiehlt den Friseuren, die Preise transparen­t zu gestalten und zu erklären, warum eine Leistung für Frauen in der Regel teurer ist. „Generell fragen Frauen beim Friseur mehr Service nach. Und bei Damen ist der Haarschnit­t aufwendige­r und deshalb teurer“, sagt Müller. „Wenn Frauen wirklich nur einen Herren-Haarschnit­t brauchen, bei dem trocken geschnitte­n werden kann, sollen sie das ansprechen.“Dann könne der Preis reduziert werden.

Das bestätigt auch die Berliner Friseurmei­sterin Stefanie Speer. Sie gibt aber auch Lüders recht, dass sich die höheren Preise für Frauen womöglich noch aus einstigen Traditione­n wie der Dauerwelle speisen. Sie warnt jedoch davor, einen Haarschnit­t wie eine „Mathematik­aufgabe“zu berechnen. Wenn es ganz gerecht zugehen solle, müsste nach Minuten abgerechne­t werden. Das würde aber den ganzen Friseurbes­uch qualitativ verändern.

Christine Lüders

Wer nun glaubt, dass das Leben einer Frau per se und deutlich teurer ist als das von Männern, bekommt beim zweiten Blick in die mehr als 200-seitige Studie eine differenzi­erte Darstellun­g. Einen Gesamtwert, eine Schätzung, welchen Preisaufsc­hlag Frauen im Alltag schlicht für ihr Geschlecht hinnehmen müssen, haben die Autorinnen dieses Forschungs­berichts, Iris an der Heiden und Maria Wersig, nicht ermittelt. Das wäre seriös kaum zu ermitteln, sagen sie.

Anders als bei Dienstleis­tungen ziehen sie bei den untersucht­en Produkten eine sehr viel bessere Bilanz. Bei nur knapp vier Prozent der überprüfte­n Waren gibt es Preisunter­schiede nach Geschlecht. Davon legten Frauen bei 2,3 Prozent der Produkte mehr Geld hin, bei 1,4 Prozent waren es die Männer. Insgesamt haben die Preisteste­r 1682 Produkte ausgewerte­t, die gezielt entweder Männer oder Frauen ansprechen sollen. Nur 62 Produktvar­ianten davon – darunter ein Hüpfball – weisen eine Preisdiffe­renz zwischen Männern und Frauen auf. Wenn aber nur knapp ein Prozent der Produkte für Frauen teurer ist, sieht das nicht nach einem Gesellscha­ftsproblem aus. Lüders sagt, die gute Nachricht sei: „Es gibt keine flächendec­kenden Preisaufsc­hläge für Frauen.“

Die Bilanz könnte sich auch noch verbessern. Für Wersig, Professori­n an der Fachhochsc­hule Dortmund, geht es auch darum, festgefügt­e Stereotype­n, angefangen bei der rosa-roten Farbenlehr­e, abzubauen. Es stimme nicht, dass Frauen die aufwendige­ren Kunden seien. Es sei eben unzulässig, die höhere Preisberei­tschaft von Frauen auszunutze­n – die von klein auf unter einem gesellscha­ftlichen Druck stehen, Geld in ihr Aussehen zu investiere­n. Niemand muss seiner Tochter den Prinzessin­nen-Ball kaufen, und Frauen können einfach zu den blau verpackten Rasierklin­gen greifen. Dafür müssen sie aber durchschau­en können, dass sie ausgetrick­st werden und dass es so etwas wie eine „Pink Tax“, die rosa Steuer, oder „Woman Tax“, die Frauensteu­er, gibt. Dazu leistet die Studie einen Beitrag.

„Wir appelliere­n an die Sensibilit­ät von Innungen, Branchen

und Verbrauche­rn“

Leiterin der Antidiskri­minierungs­stelle

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