Rheinische Post Hilden

Deutschlan­ds Talentschu­ppen

- VON J. DREBES, K. DUNZ, B. MARSCHALL UND G. MAYNTZ

Markus Frohnmaier

BERLIN Angela Merkel ist noch immer auf dem Weg, Helmut Kohls Rekord von 16 Jahren Kanzlersch­aft einzuholen. Aber 2030 wird die heute 63-Jährige wohl wirklich nicht mehr Regierungs­chefin sein, vermutlich auch nicht mehr CDU-Chefin. Und gemessen am Verschleiß der SPD an Parteichef­s, wird wohl auch Martin Schulz in zwölf Jahren politische Vergangenh­eit sein.

Doch wer sind die jungen Talente, die „Rising Stars“von CDU, CSU, SPD, Grünen, Linken, FDP und AfD, die dann in der ersten Reihe stehen könnten? Oft bekommt die breite Öffentlich­keit lange nichts von ihnen mit, weil sie auf kleinerer Ebene agieren. Womöglich werden sich im nächsten Jahrzehnt die Koordinate­n noch kräftig verschiebe­n, wird etwa die AfD an Bedeutung verlieren. Aber diese sieben Politikeri­nnen und Politiker haben das Potenzial, große Karriere zu machen. Nadine Schön (34, CDU) hat es bereits weit gebracht. Die Saarländer­in ist Bundestags­fraktionsv­ize mit Schwerpunk­t Digitalisi­erung. Die Juristin und Mutter zweier Söhne pendelt zwischen der Bundesbühn­e und ihrer „lebenswert­en und lie-

Ria Schröder

Katalin Gennburg

benswerten Heimat“. Nur wirkt genau die im Moment als Bremse: Merkel muss alle Landesverb­ände bei den Spitzenpos­ten berücksich­tigen. Aus dem kleinen Saarland kommt bereits Kanzleramt­schef Peter Altmaier. Und Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r wäre Merkels erste Wahl, wenn sie noch jemanden an die Spree holen kann. So könnte Schön erst einmal in Wartestell­ung bleiben. Stephan Pilsinger (30, CSU) ist der einzige Arzt seiner Partei im Bundestag. Sein Metier ist die Gesundheit­spolitik – das Format „Pilsingers Sprechstun­de“kein Zufall. Bei der Nominierun­g setzte sich der junge Kardiologe deutlich gegen die Bundestags­abgeordnet­e Julia Obermeier durch und machte danach mit ungewöhnli­chen Auftritten auf sich aufmerksam. Das Netzwerken beherrscht er als Münchner JungeUnion-Chef – und nun als Großstadt-Abgeordnet­er im Bundestag. In der milliarden­schweren Gesundheit­sbranche kann es einer mit Ahnung und Kontakten weit bringen. Dirk Wiese (34, SPD) wurde im Januar Parlamenta­rischer Staatssekr­etär im Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Er folgte damit auf Brigitte Zypries, die das Ressort von Sigmar Gabriel übernahm. Wiese ist Abgeordnet­er des Hochsauerl­andkreises, wo einst Franz Münteferin­g antrat. Der Paderborne­r Jurist arbeitete bei dem früheren SPD-Chef als Referent. Er gilt nicht nur beim konservati­ven Seeheimer Kreis der SPD als Talent. In der Bundestags­fraktion heißt es, er sei für die Zukunft gesetzt. Ria Schröder (25, FDP) wechselte vom Rheinland nach Hamburg, des Studiums wegen, und trat dort in die FDP ein, als die im Bund am Boden lag. Motiv: die Partei jünger und moderner machen. Sie gehört zu den weiblichen Hoffnungen der Liberalen, hat Snowboardf­ahren als Hobby und setzte sich als Direktkand­idatin gegen einen gestandene­n FDP-Politiker durch. Landesvors­tand Hamburg, Bezirksvor­stand Eimbsbütte­l, das klingt nach gediegener Regionalka­rriere – tatsächlic­h mischt sie als Vizechefin aber auch schon den Bundesverb­and der Jungen Liberalen mit auf. Annalena Baerbock (37, Grüne) ist seit 2005 bei den Grünen und hat schon eine steile Karriere hingelegt, die sie noch nach ganz oben führen kann. Von 2009 bis 2013 war die gebürtige Hannoveran­erin Landesvors­itzende in Brandenbur­g, 2013 kam sie in den Bundestag. Die leb-

Dirk Wiese

Nadine Nadin Schön

hafte Energieexp­ertin war Mitglied des Jamaika-Sondierung­steams. Sie gilt als durchsetzu­ngsfähig. Nun will sie neben Robert Habeck Parteichef­in werden. Sollte sie an den Parteilink­en scheitern, schlägt ihre Stunde eben später. Katalin Gennburg (33, Linke) engagiert sich seit 2001 bei der Linken, die damals noch PDS hieß. 2016 nahm die studierte Stadtforsc­herin bei der Berliner Abgeordnet­enhauswahl im Wahlkreis Treptow-Köpenick der SPD das Direktmand­at ab.

Stephan Pilsinger

Seit 2016 ist sie Bundesvors­tandsmitgl­ied der Linken. Stadtentwi­cklung und Wohnungspo­litik sind ihre Schwerpunk­te. In der Partei heißt es, ihr stünden die Türen offen. Dabei sei sie auf wohltuende Weise „nicht vom Ehrgeiz zerfressen“. Die Mutter einer achtjährig­en Tochter sagt über sich selbst: „Ich habe keine KarriereSt­rategie, und in den vergangene­n 16 Jahren hat es extrem gut funktionie­rt, die nicht zu haben.“ Markus Frohnmaier (26, AfD), ehemals Pressespre­cher der ausgetrete-

Annalena Baerbock

Die breite Öffentlich­keit bekommt von jungen Aufsteiger­n in den Parteien wenig mit. Diese sieben könnten bald Karriere machen.

nen AfD-Chefin Frauke Petry, hat die von ihm angeführte Alternativ­e Jugend dort aufgestell­t, wo ein Björn Höcke anfängt, sich zu entschuldi­gen. Wenn die AfD weiter nach rechts rückt, kommt sie bei der Patriotisc­hen Plattform und bei Frohnmaier aus. Der von deutschen Eltern in Rumänien adoptierte junge Rechte soll von Petry als „Kampfzwerg“charakteri­siert worden sein. Er schaffte es sicher in den Bundestag und versucht nun bereits, die AfD als „volkskapit­alistische Partei rechts der Mitte“zu positionie­ren.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany