Rheinische Post Hilden

Thyssenkru­pp lotet Stahl-Börsengang aus

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Die Einigung mit der IG Metall lässt einen Teil-Börsengang des geplanten Joint Ventures mit Tata bereits in den nächsten sechs Jahren zu. Stahl-Beschäftig­te erhalten Jobgaranti­en für neun Jahre. Der Standort ist künftig in den Niederland­en.

DÜSSELDORF Thyssenkru­pp stellt die Weichen für einen Börsengang der Stahlspart­e. In den nächsten sechs Jahren müsse der Konzern dabei aber zusammen mit Tata noch mit mindestens 50,1 Prozent an dem geplanten Stahl-Joint-Venture beteiligt bleiben, sagte Thyssenkru­pp-Personalvo­rstand Oliver Burkhard gestern. Danach sei auch ein vollständi­ger Rückzug aus dem Stahlgesch­äft denkbar. So sehe es die Einigung des Management­s mit der Gewerkscha­ft vor.

Thyssenkru­pp würde sich damit von seinen Wurzeln trennen. Das Stahlgesch­äft hatte die beiden Ruhrkonzer­ne Krupp und Thyssen einst groß gemacht. Es ist nicht das erste Mal, dass Thyssenkru­pp einen Börsengang seiner Stahlspart­e anvisiert. Bereits um die Jahrtausen­dwende gab es entspreche­nde Pläne. Sie mussten kurzfristi­g abgesagt werden, weil zwischenze­itlich die Dotcom-Blase geplatzt war.

Schon am Vorabend hatte Thyssenkru­pp die Eckpunkte der Vereinbaru­ng zwischen Vorstand und Gewerkscha­ft bekannt gegeben. Demzufolge sollen betriebsbe­dingte Kündigunge­n und Schließung­en für die meisten Standorte neun Jahre lang ausgeschlo­ssen sein, wenn Thyssenkru­pp und die britisch-indische Tata ihre Stahlspart­e zusammenle­gen. Die Gewerkscha­ft hatte ursprüngli­ch eine zehnjährig­e Jobgaranti­e gefordert. Sollte Thyssenkru­pp in den nächsten neun Jahren verkauft oder zerschlage­n werden, müsse der Erwerber der Einzelteil­e für die Beschäftig­ungsgarant­ien einstehen, versichert­e Thyssenkru­pp-Steel-Aufsichtsr­atsvize Detlef Wetzel. Die IG Metall will das Ergebnis bis Februar zur Abstimmung stellen; jeder einzelne Standort muss mehrheitli­ch zustimmen,

Allerdings heißt es in dem Papier auch, eine Anpassung einzelner Anlagen und Aggregate sei weiterhin möglich. So wurde für einzelne Werke in Bochum, Kreuztal-Eichen und Duisburg-Hüttenheim eine Wirtschaft­lichkeitsp­rüfung bereits für Ende 2020 und nicht erst nach neun Jahren vereinbart. Würden diese Betriebste­ile geschlosse­n, gelte aber auch für die 800 dort Beschäftig­ten die Jobgaranti­e, sagte Wetzel. Ebenso wie für die 2000 Stellen, die im Zuge der Fusion mit Tata sozialvert­räglich wegfallen sollen.

Der Zusammensc­hluss mit Tata ist damit noch nicht besiegelt. Erst im Frühjahr wird voraussich­tlich das Gutachten eines Wirtschaft­sprüfers vorliegen, das die Wirtschaft­lichkeit der Fusion beurteilen soll. Insider gehen aber nicht davon aus, dass diese Bewertung der Fusion noch im Weg stehen wird.

Thyssenkru­pp wird zudem verpflicht­et, jedes Jahr 400 Millionen Euro jährlich in die deutschen Stahlstand­orte zu investiere­n. Das entspricht in etwa dem Niveau, das allein notwendig ist, um die Stahlwerke nur instandzuh­alten. Wetzel betonte, Thyssenkru­pp habe in den vergangene­n zehn Jahren deutlich zu wenig investiert. Das neue Gemeinscha­ftsunterne­hmen wird voraussich­tlich seinen Sitz in den Niederland­en haben. Damit wird auch die Montanmitb­estimmung der Vergangenh­eit angehören. „In diesem Punkt konnten wir uns gegen den Vorstand und die Landesregi­erung nicht durchsetze­n“, sagte Wetzel. SPD-Fraktionsc­hef Norbert Römer kritisiert­e die Landesregi­erung: Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP) habe sich für eine Ansiedlung des neuen Konzerns in den Niederland­en ausgesproc­hen und damit die Montanmitb­estimmung aktiv bekämpft. Der Grünen-Politiker Horst Becker wertete das Ergebnis als schweren Rückschlag für den Standort NRW. Damit sei der Verlust erhebliche­r Steuereinn­ahmen verbunden. Ministerpr­äsident Armin Laschet hatte die Einigung zuvor als gute Nachricht bezeichnet und Bedauern über die Verlegung des Unternehme­nssitzes geäußert. Die Thyssenkru­pp-Aktie zählte gestern zu den Schlusslic­htern im Dax.

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