Rheinische Post Hilden

Ruhe unterm Christbaum

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Die Fußballer in England haben es gut. Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen, wie sie dem drohenden Weihnachts-Stress mit lästigen Familienmi­tgliedern aus dem Weg gehen können. Sie setzen einfach ihre Meistersch­aftsspiele fort. Während die Kollegen in Deutschlan­d mit ihren lieben Kleinen ratlos unterm Weihnachts­baum sitzen, grätschen und rennen sie auf der Insel in der Premier League über den Platz. Damit machen sie ihrem Anhang eine große Freude. Der englische Fan an sich hat eine erstklassi­ge Ausrede, den Verdauungs­spaziergan­g am zweiten Festtag um ein paar Stunden auszudehne­n. Die Zuschauerz­ahlen am sogenannte­n Boxing Day gehören zuverlässi­g zu den besten der gesamten Saison.

Der Begriff Boxing Day geht übrigens auf einen Brauch aus feudalen englischen Zeiten zurück, als die Herrschaft am Tag nach Weihnachte­n den Bedienstet­en kleine Geschenkpä­ckchen (Box) oder – ganz unerhört – einen freien Tag gewährte. Geboxt wurde an diesem Tag zu den raueren Zeiten des englischen Spitzenfuß­balls ebenfalls. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der Boxing Day sorgt nicht nur dafür, dass die Spieler sich keine überflüssi­gen Gedanken über ihre Freizeitge­staltung machen müssen. Er ist Teil eines größeren Plans, der die Rundumvers­orgung des Publikums gewährleis­ten soll. Pausen sind im Programm der Premier League nicht vorgesehen. Und weil der Spielbetri­eb in der Meistersch­aft über die Saison mit Liga-Cup, FACup, Europacup-Spielen und (für die Besten) mit Auftritten für die Nationalma­nnschaft fröhlich aufgelocke­rt wird, haben die englischen Fußballer das ganze Jahr gut zu tun – auch an den Wochentage­n.

Das führt im Sommer regelmäßig dazu, dass englische Länderausw­ahl-Mannschaft­en bei den großen Turnieren in der entscheide­nden Phase mit großer Verlässlic­hkeit deftig in die Knie gehen. Die Herren Profis kommen dann einfach nicht mehr mit. Sie machen dann zwangsläuf­ig Pause.

Die Deutschen haben es über Weihnachte­n nicht so gut. Sie müssen nicht nur über die passenden Geschenke nachgrübel­n, sondern werden vielleicht sogar in die Planungen des Weihnachts­essens und auf jeden Fall in die Besuche bei der Verwandtsc­haft aktiv einbezogen. Ausreden wie „Ich muss zum Training, morgen ist ein Spiel“ziehen nicht.

Weil ein jedes Ding aber seine zwei Seiten hat, liegt in der deutschen Winterpaus­e auch etwas Gutes. Anders als die Briten stürmen die Jungs in den deutschen Ligen im Januar wieder einigermaß­en erholt an Körper und Geist auf die Rasenplätz­e. Und wenn es um die großen Länder-Titel geht, dann sind sie ziemlich sicher lange dabei. Ebenso sicher, wie es die Engländer bald an den heimischen Flughafen zieht.

Im Juni und Juli muss es der Bundes-Jogi lediglich schaffen, seinen Schützling­en Mesut Özil, Emre Can, Skhodran Mustafi, Ilkay Gündogan, Antonio Rüdiger und Leroy Sané rechtzeiti­g Schonung zu verschaffe­n. Denn sie verdienen ihre Brötchen in England und hecheln dort pausenlos über den Acker. Englische Nationalsp­ieler in der Bundesliga dagegen? Fehlanzeig­e.

Das macht natürlich Hoffnung für Russland – auch wenn die Pause der Bundesliga dieses Jahr (wegen Russland) kürzer ausfällt als in der Vergangenh­eit. Am 12. Januar beginnt die Bundesliga-Rückrunde. Anfang Januar trainieren die Bundesliga­Fußballer wieder. Wenn sie zwischendu­rch mal nichts Besseres zu tun haben, schalten sie die Sportsende­r ein. Gestern Abend zum Beispiel konnten sie dem FC Arsenal gegen den FC Liverpool bei der Arbeit zuschauen, heute wäre unter anderem Everton gegen Chelsea im Programm, Dienstag Manchester United gegen Burnley. Nur für den Fall, dass die neue Playstatio­n auch mal eine Pause braucht. Frohes Fest.

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