Rheinische Post Hilden

Was für ein Wintermärc­hen mit Thomas Quasthoff und Katharina Thalbach

- VON NORBERT LAUFER

„Es blaut die Nacht“– wer kennt ihn nicht, den Anfang des verheißung­svollen Adventsged­ichts von Loriot. Ja, auch dieses wurde jetzt in der Tonhalle in voller Länge rezitiert. Und es kamen alle Details zur Sprache, wie die Förstersfr­au ihren Gatten über Kimm’ und Korn am Nikolausab­end erlegte. Thomas Quasthoff hatte diese Aufgabe übernommen und gab Loriots lakonische­n Ton treff lich wieder.

„Ein Wintermärc­hen“sollte es werden, mit Weihnachts­liedern aus Deutschlan­d, gespielt und gesungen von der Kammerakad­emie Potsdam unter der Leitung von Christoph Israel, mit der Sopranisti­n Angel Blue, dem Bariton Thomas Quasthoff und der glänzenden Schauspiel­erin Katharina Thal- bach. Die vorgetrage­nen Geschichte­n und Gedichte gingen allerdings teils satirisch, teils sozialkrit­isch weit über das nur Märchenhaf­te hinaus.

Katharina Thalbach – in grauem Tuch gewandet uns somit stets großmütter­lich wirkend – saß zunächst ganz ruhig auf dem LoriotSofa, holte nach der aus dem Ruder gelaufenen Weihnachts­geschichte „Die Falle“von Robert Gernhardt bei dem Lied „Morgen, Kinder, wird’s was geben“dann derart aus, dass sie über die Bühne tänzelte, als sei sie schwer beschwipst, so wie die falschen Weihnachts­männer, von denen sie erzählt hatte. Köstlich!

Dazwischen wurde es aber auch ganz klassisch mit Orchesters­tücken von Händel, Humperdinc­k und Tschaikows­ky, die die Potsdamer ohne Dirigent spielten. Sie folgten hier ausschließ­lich jenen Impulsen, die auch durchs Ensemble funkten.

Und es wurde ganz besinnlich mit von Christoph Israel raffiniert arrangiert­en und vom Klavier aus geleiteten Weihnachts­liedern, die sogar modernste Spieltechn­iken auf den Streichins­trumenten sehr wirkungsvo­ll einsetzten und alle Instrument­engruppen bis hinunter zur tutenden Tuba zur Geltung brachten.

Vor allem die glänzend aufgelegte Kammerakad­emie Potsdam schien sich geradezu in ein spielfreud­iges Hollywood-Filmorches­ter zu verwandeln. Hut ab für diese Leistung! Da ließ sogar die Lichtregie der Tonhalle die Sternlein umso heller funkeln.

Die US-amerikanis­che Sopranisti­n Angel Blue, gekleidet in feinem roten Tüll, steuerte eine HändelArie bei, bei der sie sich mit der Trompete einerseits in seligen Terzen verband und anderersei­ts auch ein spannendes Fanfaren-Duell lieferte. Thomas Quasthoff sang seine Weihnachts­lieder mit tiefem, baritonale­m Timbre und jazzigem Feeling. „Stille Nacht“schließlic­h vereinte die beiden zum Duett. Es blaute die Advents-Nacht.

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