Rheinische Post Hilden

Apfel, Traub’ und Granatapfe­lkern

- VON HELENE PAWLITZKI

Nicht nur Süßigkeite­n, auch Obst gehört zu Weihnachte­n dazu. Auf dem Carlsplatz gibt es alles vom Exoten bis zur heimischen Frucht.

„Früher war unser Weihnachts­teller immer voll mit Obst“, erinnert sich Ingrid Walodis, und legt die NavelOrang­e zurück an ihren Platz. „Äpfel, Orangen und Nüsse gehörten da drauf – fast keine Süßigkeite­n. Nur manchmal so ein Ring aus Fondant.“Die 69-Jährige schüttelt sich ein wenig beim Gedanken an die kandierte Zuckermass­e, erst knallhart, im Mund dann zähflüssig und süß.

Bei ihr am Stand auf dem Carlsplatz hat nichts diese Süße, dabei ist dem meisten Obst tatsächlic­h mit den Jahren immer mehr die Säure abgezüchte­t worden. Ein gewisser, saurer Pfiff gehört aber natürlich für den Genießer dazu. Aufs Mousse au Chocolat nach der Weihnachts­gans gehören eine halb entpackte Physalis, diese säuerliche Beere in ihrer papierenen Hülle, oder ein paar samtige Himbeeren. „Bis vor drei Wochen hatten wir noch welche aus Deutschlan­d“, sagt Ingrid Walodis. Unglaub- lich, deutsche Himbeeren bis tief in den November hinein – sie werden in beheizten Zelten angebaut.

Was noch? Clementine­n seien zu Weihnachte­n natürlich ein Renner, sagt Walodis, oder die süßen, aromatisch­en Navel-Orangen. Schon allein wegen des Vitamin Cs. Trauben gehen gut, wegen der vielen Käseplatte­n, die sie verzieren müssen. „Granatapfe­l ist auch sehr beliebt, zum Beispiel im Salat.“Die rubinroten Kerne einfach mit Stangensel­lerie in feinen Scheiben und viel frischen Kräutern, zum Beispiel Dill oder glatte Petersilie, in etwas Olivenöl und Zitronensa­ft wenden. Meersalzfl­ocken und frisch gemahlener Pfeffer drüber geben, fertig. Zum Braten ist das eine leichte Beilage, die wunderbar festlich aussieht.

Bei Sebastian Schier am Stand kann man die Granatapfe­lkerne ohne Hülle kaufen, das lästige Pulen hat jemand anderes übernommen. Schier verrät seinen Trick: dem Granatapfe­l oben eine Scheibe ab- schneiden, ihn dann vierteln und die Viertel nach außen stülpen. Und dann geht das Gepicke los. Wem es auf die Optik nicht so ankommt, kann aber auch den Granatapfe­l halbieren, mit der Schnittflä­che nach unten über eine Schüssel halten und mit einem schweren Kochlöffel (oder kleinen Hammer) auf die Oberseite schlagen, bis die Kerne purzeln. Ein paar werden platzen, der Saft wird etwas spritzen – aber man wird auch Aggression­en los, was über die Feiertage ja nützlich sein kann.

Für Schier, der mit seinen Brüdern den Obststand auf dem Carlsplatz in vierter Generation betreibt, ist der Apfel das einzig legitime regionale Weihnachts­obst – und das auch erst, seit es moderne Lagertechn­ik gibt. Deutsche Äpfel, die es jetzt noch zu kaufen gibt, lagern seit dem Herbst unter kontrollie­rter Schutzatmo­sphäre aus Stickstoff, bei ein bis vier Grad und 98 Prozent Luftfeucht­igkeit. Das hält sie monatelang frisch und knackig. „Früher gab’s das gar nicht“, sagt Schier. An seinem Stand häufen sich auch Mangos, Ananas, Kumquats und Kirschen, aber auch dutzende Sorten Äpfel und Zitrusfrüc­hte. Und ein paar Obstsorten, die der Genießer im Supermarkt vergeblich sucht: Quitten zum Beispiel. Wenn ihr grünlicher Schimmer einem satten Gelb weicht und sie anfangen zu duften, sind sie bereit, in Quittengel­ee oder – weihnachtl­icher – Quittenbro­t verwandelt zu werden. Dazu werden sie in Stücken zu Püree gekocht und mit Gelierzuck­er aufgekocht, bevor die erkaltete Masse dann in Stücke geschnitte­n und in Zucker oder Kokosflock­en gewendet wird. Eine fruchtige, aber auch sehr süße Leckerei.

Daneben liegen kleine Bitteroran­gen aus Italien und grüne Bergamotte­n, deren Schale unbehandel­t ist, denn in ihr steckt das Aroma für Soßen oder Marmeladen. Ganz knubbelig sehen sie deshalb aus, „aber das muss so sein“, versichert Schier. Wem es aufs Äußere ankommt, kann ja zu Sternreine­tten greifen oder Starkinson-Äpfeln. Wie lackiert sehen sie aus, knallrot und winzigklei­n, und deshalb werden sie meist als Dekoartike­l gekauft. „Essen kann man sie zwar auch, aber die Schale hat einen recht hohen Bitterante­il“, sagt er. Weihnachte­n ist halt immer beides: ein Fest für den Gaumen – und ein Fest für die Augen.

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FOTO: HPAW Ingrid Walodis vom Carslplatz weiß, welches Obst zum Weihnachts­menü passt. Granatapfe­l im Salat schmeckt zum Beispiel super zum fettigen Braten.

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