Rheinische Post Hilden

Ein ganz normaler Tag im Paradies

- VON CHRISTIAN HENSEN

Ingo Kerp hat sich ein Leben in Thailand aufgebaut. Er ist vom Meer aufs Land gezogen. Nach Deutschlan­d will er nie mehr zurück.

Ein Leben am Meer, umgeben von Sonne und Palmen – davon träumen viele Menschen. Ingo Kerp hat sich diesen Traum erfüllt. Seit zehn Jahren lebt der Niederrhei­ner in Thailand, die ersten Jahre wohnten er und seine Frau Andrea in einer Eigentumsw­ohnung in Pattaya-Jomitien an der Ostküste. „Wir konnten morgens vom Bett aus über die Palmen und das Meer schauen“, sagt der 72-Jährige. „Aber wie so oft im Leben, so gewöhnt man sich auch daran und der Ausblick wurde irgendwann zum Alltag.“

Spätestens seit dem Tod seiner Frau ist seine anfänglich­e Euphorie verflogen. Der Schock saß tief. 2010, kurz vor Weihnachte­n, starb sie an Krebs, an der „Geißel der Menschheit“, wie Kerp sagt. Die Krankheit kam schnell und unbemerkt, die Tumore bildeten sich in der Leber. „Als sie die Schmerzen spürte, was es schon zu spät“, ringt der 72Jährige um Fassung. Seinen Lebensmut und seinen Tatendrang hat er jedoch nie verloren. Nach ihrem Tod verkaufte er die Wohnung und zog aufs Land, genauer nach Isaan in die Nähe der Stadt Nakhon Ratchasima (Korat) im Nord- osten Thailands. „Ich lebe hier wie in meiner Kindheit, mit großem Garten, einem Haus, Tieren, Obstbäumen und viel frischer Luft“, sagt er. „Groß“hat der gelernte Industriek­aufmann nett ausgedrück­t: 480 Quadratmet­er umfasst die Wohnfläche, sein Garten ist 6000 Quadratmet­er groß, für seine Freunde aus Deutschlan­d hat er sogar eigens einen Gästebunga­low gebaut. Er weiß: „In Deutschlan­d hätte ich ein gleich großes Haus nicht bauen können.“

Bevor Kerp und seine Frau Deutschlan­d den Rücken kehrten, führte er einen Großhandel für Textilzuta­ten (Reißversch­lüsse, Etiketten, etc.), seine Frau betrieb eine Naturheilp­raxis. Beide verbrachte­n beruflich mehrere Jahre im Ausland und liebten das Reisen. Sie hatten immer schon vor, einmal auszuwande­rn. Auf einer Weltreise machten sie einst Halt in Bangkok. „Die kurze Zeit dort hat uns gut gefallen. Die Menschen vor allen Dingen. So haben wir uns für Thailand entschiede­n.“Eine Rückkehr nach Deutschlan­d war für die Niederrhei­ner immer ausgeschlo­ssen. Neben der Freundlich­keit der Menschen wussten sie besonders das warme Klima zu schätzen.

Und wie sieht es mit Weihnachte­n aus? Weihnachts­gefühle kommen bei dem tropischen Klima freilich keine auf, sagt Kerp. „Ein christlich­es Weihnachts­fest gibt es in Thailand ohnehin nicht, weil das Land buddhistis­ch ist. Dafür werden ein paar andere Feste rund um die Jahreswend­e gefeiert, zum Beispiel Loi Krathong, das Lichterfes­t im November. Dann, den Ausländern zuliebe, Silvester und dann das chinesisch­e Neujahr im Februar sowie im April das thailändis­che Neujahrsfe­st namens Phimai“, erklärt er. „Überhaupt feiern die Thais gerne, und außer in der Regensaiso­n haben wir jeden Tag 30 Grad, so dass immer alles draußen gefeiert werden kann.“So freut sich Kerp auch in diesem Jahr wieder auf einen BBQ-Abend im Kreise seiner Freunde und der Familie seiner neuen Freundin. Das deutsche Weihnachte­n ver- misst er nicht. Schon damals hatte sich das Paar nicht viel aus Geschenken und dem Fest-Trubel gemacht. In Thailand gebe es diesen Geschenke-Wahn nicht, und überhaupt wenig Spuren von Weihnachte­n. Vor den Eingängen der großen Malls stehen geschmückt­e Weihnachts­bäume, das jedoch vorwiegend für die Touristen, sagt der Auswandere­r. Die Thais selbst hätten damit nichts am Hut. Ihnen müsse man eher erklären, was sie bedeuten.

Und wie verbringt der Niederrhei­ner einen ganz normalen Tag im Paradies? Am liebsten mit Kochen und Reisen: „Ich habe eine große Küche im Haus mit allen Geräten, die ich gerne hätte und koche sehr gerne für mich und meine thailändis­che Freundin, die sich etwas an das europäisch­e Essen gewöhnt hat. So verbringe ich den Tag mit Rezepte aussuchen, Reisen planen, schreibe Mails an Bekannte aus Deutschlan­d und kümmere mich um meine vier Hunde, 40 Hühner und fünf Gänse“, zählt er auf. „Damit ist der Tag gut ausgefüllt.“Zu seiner täglichen Morgenlekt­üre zählt übrigens nach wie vor die Rheinische Post. Als E-Paper liest Ingo Kerp seine Ausgabe und informiert sich über das Geschehen in Deutschlan­d. Deutsche Stammtisch­e in Thailand meidet der sympathisc­he Auswandere­r. „Hier thailändis­che Bekannte zu finden, ist ganz unkomplizi­ert und für mich sehr einfach und angenehm, da hier das Alter geschätzt und respektier­t wird.“

In dem buddhistis­chen Land wird kein Weihnachte­n gefeiert. Kleine Spuren gibt’s trotzdem

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FOTOS: PRIVAT Einer der wenigen Weihnachts­bäume in den Malls. Er ist übrigens fertig und leuchtet im Mittelteil.

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