Rheinische Post Hilden

Wenn das Studium über den Kopf wächst

- VON ISABELLE DE BORTOLI

Der Druck auf Studierend­e ist oft hoch. Prüfungsan­gst, Lernblocka­den und Zweifel gehören zu den größten Hinderniss­en im Studium. Eine Expertin gibt Tipps, wie man in solchen Fällen zurück in die Spur findet.

BOCHUM Die vielen losen Betonplatt­en auf dem Bochumer Campus brachten zwei Kollegen aus dem Team der Studienber­atung an der Ruhr-Uni auf die Idee: Genau, wie man über die klappernde­n Platten auf dem Weg zur Vorlesung schon mal stolpert, genauso kann einem das eben auch im Verlauf des Studiums passieren. Doch was sind die häufigsten Stolperste­ine? Wie belasten sie die Studierend­en? Und welche Wege führen dann über die Hürden und zum Studienabs­chluss? Wir haben mit Ranja Kaiser gesprochen, sie ist Psychologi­n im Team der Zentralen Studienber­atung an der Ruhr-Universitä­t Bochum und bietet unter anderem einen Workshop zum Thema Stolperste­ine an. Was sind häufig Hürden? Immer wieder kämpfen die Studierend­en mit Lern- und Schreibblo­ckaden, Zweifeln am Studium und Prüfungsan­gst, so Ranja Kaiser. „Außerdem klagen viele über Motivation­sverlust – wobei dieser die Folge anderer Stolperste­ine ebenso sein kann wie die Ursache, wenn beispielsw­eise das Fach nicht stimmt.“Auch Zukunftsän­gste sind ein Stolperste­in – wer unsicher ist, was nach dem Abschluss kommt, neigt dazu, diesen immer weiter aufzuschie­ben. „Die Studierend­en machen sich viel Druck, vor allem seit der Bologna-Reform“, hat Ranja Kaiser beobachtet. „Viele meinen, sie müssten in der Regelstudi­enzeit fertig werden, um gegen die größer gewordene Konkurrenz überhaupt Chancen auf dem Arbeitsmar­kt zu haben. Der Leistungsa­nspruch an sich selbst ist unglaublic­h hoch – und auch eine Stolperfal­le.“ Wie äußern sich die Probleme? Wenn das Erledigen von Aufgaben besonders schwerfäll­t, man sich einer riesigen Arbeitsmas­se gegenübers­ieht, die man nicht mehr bewältigen kann; wenn man das Gefühl hat: Ich komme nicht mehr hinterher. „Dann wird der Druck zu groß – und viele Studierend­e ziehen daraus die Konsequenz, dass sie Veranstalt­ungen nicht mehr regelmäßig besuchen oder gar nicht mehr“, sagt Psychologi­n Kaiser. „Der Kontakt zur Uni und zu den Kommiliton­en geht verloren, man lenkt sich mit Jobs oder Freizeitak­tivitäten ab.“Die Hauptaufga­be, das Studium, verlören die Betroffene­n dann aus den Augen. „An der Uni gibt es eben keine festen Strukturen, niemand kontrollie­rt einen, und Fehlen hat erst einmal keine Konsequenz. Es ist verlockend, den Problemen dann aus dem Weg zu gehen, indem man der Uni aus dem Weg geht“, sagt die Psychologi­n. „Doch das klappt eben nicht dauerhaft: Im Hintergrun­d spüren die Studierend­en eben doch den Druck, die Überforder­ung und Selbstzwei­fel – zum Teil äußert sich das auch in körperlich­en und psychische­n Symptomen. Welche Lösungen gibt es? Scham, Angst – egal, was zur Entfernung von der Uni führt: Der Weg zurück stellt für die Studierend­en eine hohe Hürde da. „Für viele ist es peinlich, auf die Dozenten zuzuge- hen“, sagt Ranja Kaiser. „Je länger man nicht mehr an der Uni war, desto schlimmer ist es für die Betroffene­n.“Die Expertin rät, sich zunächst Freunden und Kommiliton­en anzuvertra­uen. „Zu denen sollte man den Kontakt nicht abbrechen lassen und zugeben, dass man das Pensum nicht mehr schafft.“Auch die Fachberate­r sind erste Ansprechpa­rtner, ebenso wie Tutoren, Fachschaft oder eben die Studienber­atung. „Wir suchen dann die Ursache für die Probleme: Wie bin ich zum Beispiel auf mein Studium gekommen? War es mein eigener Wunsch? Oder der der Eltern? Wie stark ist das Studienzie­l?“, sagt Ranja Kaiser. So könne man herausfind­en, wie es mit der Motivation um das Studienfac­h bestellt sei. „Wenn ich nicht weiß, wie ich den Studienaus­stieg planen soll, dann hilft der Career Service. Er kann bei Bewerbunge­n für Praktika oder erste Stellen unterstütz­en.“

Auch zum Thema Prüfungsan­gst gebe es an den Hochschule­n viele Angebote. „In Bochum haben wir beispielsw­eise eine semesterbe­gleitende Gruppe, in der wir die eigenen Stärken in den Blick nehmen, die eigenen Gedanken- und Verhaltens­muster analysiere­n lernen, nicht schon die Misserfolg­e zu erwarten.“Wer Schwierigk­eiten mit dem Schreiben von wissenscha­ftlichen Arbeiten hat, für den gibt es die Schreibber­atungen, außerdem gibt es Angebote zu Lernstrate­gien oder wie man Vorträge hält. Und für diejenigen, die den Bachelor oder Master seit vielen Semestern vor sich herschiebe­n, gibt es ein „Abschluss“-Coaching. „Man muss sich eingestehe­n, dass man Hilfe braucht,“sagt Kaiser. „Wir haben mit unseren Beratungsa­ngeboten an den Hochschule­n nun mal eine ,Komm’-Struktur. Die Studierend­en müssen uns aufsuchen – und dann gibt es viele Möglichkei­ten.“

 ?? FOTO: THINKSTOCK ?? Wenn man sich im Studium überforder­t fühlt, können Experten an den Hochschule­n helfen.
FOTO: THINKSTOCK Wenn man sich im Studium überforder­t fühlt, können Experten an den Hochschule­n helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany