Rheinische Post Hilden

Wirtschaft fürchtet Steuernach­teile

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

Die USA und mehrere europäisch­e Länder wollen Unternehme­n bei Steuern entlasten. Damit setzen sie die Bundesregi­erung unter Druck. Die Pläne von Union und SPD deuten aber in andere Richtungen.

BERLIN Führende Wirtschaft­svertreter haben die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, in dieser Legislatur­periode die Steuern für Unternehme­n zu senken. „Wenn wir wettbewerb­sfähig bleiben wollen, brauchen wir eine Steuerrefo­rm mit deutlichen Entlastung­en für die Wirtschaft“, sagte etwa der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags (DIHK), Eric Schweitzer, unserer Redaktion. In Deutschlan­d seien die Spielräume im Staatsbudg­et vorhanden, die Steuerpfli­chtigen jetzt zu entlasten, betonte er.

Damit reagierte Schweitzer wie auch andere Unternehme­nslenker auf die Pläne mehrerer wichtiger Industries­taaten, in denen teils drastische Steuersenk­ungen für Unternehme­n in Aussicht stehen. So wurde in den USA jüngst die erste umfangreic­he Steuerrefo­rm seit mehreren Jahrzehnte­n beschlosse­n. USPräsiden­t Donald Trump hatte diese Maßnahme bereits im Wahlkampf angekündig­t. Wesentlich­er Bestandtei­l ist, dass der Satz der Körperscha­ftssteuer bereits ab 2018 von bislang 35 auf nur noch 21 Prozent fallen wird. Hinzu kommt, dass schnelle Investitio­nen zusätzlich gefördert werden, gleichzeit­ig wird es künftig schwierige­r, Einkünfte aus den USA ins Ausland zu verlagern.

Aber auch in Europa gibt es entspreche­nde Tendenzen: In Großbritan­nien sanken die Unternehme­nssteuern von 28 Prozent im Jahr 2010 auf heute 19 Prozent. Die Regierung plant sogar eine weitere Entlastung, bis zum Ende des Jahrzehnts sollen es nur noch 17 Prozent sein. Auch Frankreich, ein weiterer wichtiger Handelspar­tner deutscher Unternehme­n, beschreite­t diesen Weg. Präsident Emmanuel Macron kündigte – unter scharfem Protest aus Opposition­s- und Gewerkscha­ftskreisen – an, den Satz von 33 auf 25 Prozent senken zu wollen. Es gibt viele weitere Beispiele aus kleineren Volkswirts­chaften, allen voran Irland, wo die Gewinnsteu­ern nur bei 12,5 Prozent liegen. In Polen, Ungarn und Tschechien liegt der Satz bei 19 Prozent, und Bulgarien fordert sogar nur zehn Prozent Steuern. Angesichts dieses Wettbewerb­s nimmt der Druck auf Berlin und die künftige Bundesregi­erung nun erheblich zu. Denn hierzuland­e gilt insgesamt ein Satz von rund 30 bis 35 Prozent, zählt man auch alle lokal fälligen Steuern zusammen.

Im Bundestags­wahlkampf kündigten sowohl Union als auch SPD jedoch Steuersenk­ungen für niedrige und mittlere Einkommen an. Zumindest die Sozialdemo­kraten wollen das durch eine teils höhere Belastung großer Einkommen gegenfi- nanzieren. Auch eine Nachbesser­ung der zuletzt nur unzulängli­ch reformiert­en Erbschafts­steuer ist im Gespräch mit mehr Abgaben für Firmenerbe­n. Diese Pläne kollidiere­n mit den Forderunge­n der Wirtschaft: „Das passt nicht zusammen“, befindet DIHK-Chef Schweitzer. 80 Prozent der Unternehme­n in Deutschlan­d seien Personenge­sellschaft­en, die Einkommens­teuer zahlen und häufig unter den Spitzenste­uersatz fallen würden. „Die SPD wird ihre Steuererhö­hungspläne begraben müssen, weil es sich Deutschlan­d nicht leisten kann, im Zukunftswe­ttbewerb mit Industriel­ändern wie den USA und Frankreich ins Hintertref­fen zu geraten“, so Schweitzer. „Man kann nicht am Sonntag in der Kirche sagen, der Mittelstan­d ist mir heilig, und am Montag im Bundestag die Steuern für den Mittelstan­d erhöhen.“

Die Gewerkscha­ften drängen vor den im Januar beginnende­n Sondierung­en zwischen Union und SPD hingegen auf Steuererhö­hungen. Unternehme­r und Vermögende sollten mehr als bisher zur Kasse gebeten werden.

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