Rheinische Post Hilden

Christian Lindner eifert Macron nach

- VON EVA QUADBECK

Der FDP-Chef schwärmt auf dem Dreikönigs­treffen in Stuttgart von der Bewegung „En Marche“des französisc­hen Präsidente­n.

STUTTGART Die Staatsoper in Stuttgart ist ein Ort, an den die Damen mit Pelz und die Herren im Lodenmante­l kommen. Man könnte meinen, das passe nicht besonders gut zu Christian Lindners Unterhemde­n-Wahlkampf vom vergangene­n Sommer. Doch die alte und die neue FDP zeigen sich zur traditione­llen Dreikönigs­kundgebung miteinande­r weitgehend versöhnt.

„Unsere Partei war noch nie so geschlosse­n wie heute“, ruft BadenWürtt­embergs FDP-Chef Michael Theurer ins Publikum, in dem nahezu alle Liberalen sitzen, die in den vergangene­n 20 Jahren eine wichtige Rolle gespielt haben. Man müsste eher diejenigen aufzählen, die nicht gekommen sind: der Linksliber­ale Burkhard Hirsch und der frühere Parteichef Philipp Rösler etwa. Unter Röslers Führung war die FDP aus dem Bundestag geflogen.

Als Lindner in seiner Rede die für die FDP bitteren Regierungs­jahre von 2009 bis 2013 erwähnt, begrüßt er die sehr „verehrte Frau Leutheusse­r-Schnarrenb­erger“, die damals Justizmini­sterin war. Dieser Schlen- ker bleibt die einzige kleine Disharmoni­e an diesem Tag. Hatte Sabine Leutheusse­r-Schnarrenb­erger doch im Vorfeld des Dreikönigs­tags die FDP davor gewarnt, „rechtes Bollwerk“zu sein. Sie traf damit einen empfindlic­hen Punkt. Befinden sich die Liberalen derzeit doch in einer Schleife permanente­r Rechtferti­gung: gegen Vorwürfe eines Rechtsruck­s, dagegen, dass der Ausstieg aus den Jamaika-Verhandlun­gen ein Fehler war – und, dass Lindner eine Ein-Mann-Partei führe.

Lindner begegnet diesen Vorwürfen in seiner 80-minütigen Rede, die er wie immer frei hält, mit einer fast trotzig klingenden Beschwörun­g liberaler Eigenständ­igkeit. „Wir haben uns befreit aus der Abhängigke­it anderer Parteien, haben uns befreit von Angst vor Kritik, haben uns befreit von organisier­ten Interessen“, ruft er, und der Saal applaudier­t begeistert. Er schwört die rund 1400 Gäste auch darauf ein durchzuhal­ten: „Möge der Druck auch noch so groß werden, diese innere Überzeugun­g und Haltung geben wir nicht mehr auf.“

Mehrfach verweist er auf den französisc­hen Staatspräs­identen Macron, lobt dessen Positionen und Initiative­n sowie dessen Bereitscha­ft, für die eigenen Positionen auch Konflikte einzugehen, die zur Not auf der Straße ausgetrage­n werden müssten. All das vermisst Lindner unter Merkels Führung.

In Gelb, Blau und einem als „Magenta“klassifizi­erten Pink prangen Lindners Pläne für die Zukunft auch als großer Schriftzug in der Kulisse der Staatsoper. Er will eine neue Generation für Deutschlan­d schaffen, die sich seinen Idealen verschreib­t, so wie es Millionen Franzosen bei „En Marche“gemacht haben. Wo- bei sich „Generation“nicht auf das Alter beziehen soll, sondern auf den Willen, das Land voranzubri­ngen.

Von einer Volksbeweg­ung ist die FDP mit 63.000 Mitglieder­n indes weit entfernt. Inhaltlich ruft Lindner die Themen auf, die die FDP auch im Wahlkampf vertreten hat: Digitalisi­erung, Einwanderu­ngsgesetz, Entbürokra­tisierung. Schließlic­h schlägt er die Tür zu einer Regierung mit der Merkel-CDU endgültig zu. Als Alternativ­en zu einer großen Koalition bewirbt er eine Minderheit­sregierung – und eine Neuwahl.

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