Rheinische Post Hilden

Das Internet wird 2018 humorloser

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Das Jahr ist noch jung, und schon steht fest: 2018 müssen wir mit weniger Humor im Netz auskommen. Das haben wir einem Prestigepr­ojekt des geschäftsf­ührenden Justizmini­sters Heiko Maas zu verdanken, das seit 1. Januar angewendet wird: Das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz (kurz NetzDG) fordert Facebook, Twitter, Youtube und Co. auf, rechtswidr­ige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Sonst drohen Bußgelder.

Gleich an Neujahr hat sich Twitter beeilt, einen Tweet der AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch in Deutschlan­d auszublend­en und sogar ihr Profil vorübergeh­end zu sperren; Letzteres lag aber nicht am NetzDG, das keine Kontosperr­en vorsieht, sondern an den Verhaltens­regeln des Netzwerks. Bei von Storchs Botschaft waren sich die meisten einig: Der Inhalt war volksverhe­tzend. Das gilt nicht für alle inzwischen gesperrten Inhalte. Im Gegenteil. Wie befürchtet agieren die sozialen Netzwerke im vorauseile­nden Gehorsam. Als sich das Satire-Magazin „Titanic“und die junge Satirikeri­n Sophie Passmann mit von Storch und dem Flüchtling­sthema ausei-

Das neue Anti-Hass-Gesetz von Justizmini­ster Heiko Maas löst Ärger aus. Ist es eine gute Idee, wenn Internetko­nzerne entscheide­n, was rechtswidr­ig ist?

nandersetz­ten, wurden auch ihre Botschafte­n durch Twitter in Deutschlan­d ausgeblend­et. „Solange es hier weiter Tradition ist, an Silvester ,Dinner for One’ zu gucken, können die Flüchtling­e gerne herkommen und unsere Kultur kaputt machen“, twitterte Passmann harmlos. Hoffentlic­h setzt sich wegen der Strafen bei den Plattformb­etreibern nicht die Haltung durch, „im Zweifel gegen den Angeklagte­n“zu entscheide­n. Wie wenig Mühe die Konzerne sich geben, sieht man in der Meldung eines ausgeblend­eten Inhalts bei Twitter: „Dieser Tweet von @titanic wurde aufgrund der Gesetze vor Ort zurückgezo­gen in Deutschlan­d“– als sei die Formulieru­ng aus einer asiatische­n Gebrauchsa­nleitung geklaut und mit Google Translate übersetzt worden.

Zu meinen Aufgaben gehört es, die Kommentare unserer Leser auf RP Online und bei Facebook zu sichten. Was ist rechtswidr­ig? Jeden Tag aufs Neue ist das schwer zu beantworte­n. Ich bezweifele, dass es eine gute Idee ist, diese Entscheidu­ng nicht von Richtern, sondern von Internetko­nzernen treffen zu lassen. Wer unschuldig ist, wird zum Opfer der Konzern-Angst vor Strafen. Wer schuldig ist, inszeniert sich als Opfer staatliche­r Zensur.

Der Musiker Brian Eno schrieb: Die Verheißung des Internets lag in der Idee, dass mehr Informatio­nen zu besseren Entscheidu­ngen führen würde. Die Enttäuschu­ng liegt darin, dass mehr Informatio­nen mehr Möglichkei­ten bieten, das zu bestätigen, was man gedacht hat.

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